Auf großes Interesse sei die Ausstellung „Legalisierter Raub“ über die Enteignung der Juden in der NS-Zeit gestoßen, berichten die Initiatoren. In 27 Begleitveranstaltungen sei in Bad Vilbel und Karben die dem Terror vorausgehende Ausgrenzung sichtbar geworden. Aber es bleiben auch Fragen: etwa, weshalb die Bad Vilbeler keine Erinnerungsstücke an ihre jüdischen Nachbarn zur Verfügung stellten.
Bad Vilbel / Karben. Die Zahlen sind eindrucksvoll. 1578 Besucher zählte die Ausstellung „Legalisierter Raub – Der Fiskus und die Ausplünderung der Juden in Hessen 1939 – 1945“ im Kurhaus. Zu den 27 begleitenden Veranstaltungen vom wissenschaftlichen Vortrag bis zum Chansonabend kamen in Bad Vilbel und Karben weitere 1450 Interessenten.
„Zu zeigen, was der Holocaust auch ist, nicht nur Massentötung, sondern zunächst Ausgrenzung und Ausplünderung, das ist die präzise Leistung der Ausstellung“, lobte Karbens Kulturstadtrat Philipp von Leonhardi (CDU).
Während die Ausstellung im Bad Vilbeler Kurhaus am Montag vom Hessischen Rundfunk abgebaut wurde, bleibt im Karbener Heimatmuseum eine Tafel erhalten, so Hartmut Polzer von der Stolperstein-Initiative. Auf ihr sind jüdische Familienschicksale dokumentiert.
Erfahrung fürs Leben
Erst habe sie Bedenken gehabt, ob die 27 Begleitveranstaltungen sich nicht gegenseitig konkurrieren könnten, sagte Maria Ochs vom Bad Vilbeler Kulturamt. Doch es habe sich gezeigt, das viele das Angebot nutzten, „es wie einen Workshop begriffen“. Schwierig war es jedoch, an Leihgaben aus der Vilbeler Geschichte heranzukommen.
Am Ende war es dann der Hartnäckigkeit des Hobby-Historikers Stefan Kunz zu verdanken gewesen, dass ein massiver Schrank, der einst der Familie Grünebaum gehörte, zu sehen war. Er habe Symbolwert, zeige „die Dinge sind hier“, merkte Bettina Leder-Hindemith an, die für den Hessischen Rundfunk die Ausstellung organisiert hat. Bad Vilbel sei einer der wenigen Orte der Wanderausstellung, in denen es keine Resonanz durch lokale Zulieferungen gegeben habe.
Das liege auch am starken Wandel der Stadt, wandte Kulturamtsleiter Claus-Günther Kunzmann ein. Damals sei Vilbel nur ein Fünftel so groß gewesen, auch zu anderen historischen Themen finde er für den Geschichtsverein „für nahezu nichts Material“. Seit zehn Jahren verzeichne auch das Stadtarchiv keine Zugänge mehr. Rafael Zur, der Vorsitzende der jüdischen Gemeinde Bad Vilbel, beklagte erneut, dass die jüdische Vergangenheit noch bis 1980 in keinem Heimatgeschichtsbuch auch nur erwähnt worden sei, dann habe es weitere Jahrzehnte bis zu dieser Ausstellung gedauert, für die er sich einsetzte: „Ich war der Stachel in der Stadt.“ Die nächsten Generationen sollten sich in die Geschichte hineinversetzen, hofft Zur. Ohne sein Engagement wäre die Ausstellung nicht möglich gewesen, lobte der Karbener Stadtrat Philipp von Leonhardi.
Die Exponate sollen auch Nachdenklichkeit auslösen. Ein Rücklauf komme oft erst nach der Ausstellung zustande, weiß Leder-Hindemith. Durch sie würden Gespräche in Gang gesetzt. Weil die Ausstellung mit lokaler Geschichte ergänzt wird, trage jede Stadt eine Facette zu dem Thema bei.
Eine Erfahrung fürs Leben sei die Ausstellung für zwei Schülerinnen der Kurt-Schumacher-Schule in Karben gewesen, so Polzer. Die beiden haben die Biografien verfolgter Juden recherchiert. Nächste Stationen der Ausstellung sind ab Januar die Städte Rüsselsheim und Flörsheim und im zweiten Halbjahr Michelstadt.