Karben. Der Begriff hat Konjunktur: Das christliche Abendland wird gerne verteidigt am Stammtisch und auf Demonstrationen. Doch vor vereinfachten Denkweisen möchte Pfarrer Werner Giesler warnen. „Ein einheitliches christliches Abendland hat es geografisch, historisch, politisch und auch kirchengeschichtlich nie gegeben“ erklärte er.
Es sei ein unscharfer Begriff, der immer wieder anders ausgelegt wurde. Die christliche Kirche selber habe sich schon 1054 in Konstantinopel, dem heutigen Istanbul, in eine Ostkirche und Westkirche gespalten.
„So stolz auf unser christliches Abendland können wir gar nicht sein, wenn wir die Geschichte der Kreuzzüge, der Reformationskriege, des ersten und zweiten Weltkrieges betrachten“, mahnt nachdenklich ein Gemeindemitglied.
Gesehen und diskutiert werden aber auch die „Abkehr vom Barbarentum“ und die zivilisatorische Leistung, die in Europa mit der Aufklärung einsetzte und in der Deklaration der Menschenrechte mündete. Ein zentraler Wert sei die Nächstenliebe und die Achtung der Andersgläubigen. Ist das christliche Abendland nun eine Fiktion oder gibt es doch gemeinsame Werte, die in der Geschichte, in der Aufklärung und im Christentum wurzeln? Es entwickelt sich eine spannende Diskussion, in der es um das Zuhören und Mitdenken geht.
„Wir wollen uns nicht die Diskussion um das christliche Abendland aus der Hand nehmen lassen von Kräften, die etwas ganz anderes meinen als wir“, sind sich Pfarrer Giesler von der evangelischen Gemeinde Klein-Karben und Pfarrer Bernd Schirmer von der katholischen Gemeinde einig. Hoch erfreut sind beide über den regen Zuspruch, auf der sie sechzig Bürger begrüßen können. (ado)