Bad Vilbel. Die Verwirrung am Südbahnhof ist am Montagmittag perfekt. Der Ersatz-Bus, der die wartenden Fahrgäste zur Konstablerwache bringen soll, ist einfach von der Anzeigetafel verschwunden und taucht auch nicht am Horizont auf. Die Fahrgäste sind frustriert und reagieren entsprechend.
Ein Bus nach dem anderen biegt am Südbahnhof in Bad Vilbel ein, doch es ist nicht der Schienenersatz-Bus, auf den viel Menschen hier warten. Dieser ist schon zehn Minuten zu spät und sogar von der elektronischen Anzeige verschwunden. Man fragt sich gegenseitig, überprüft Fahrpläne und Apps und schmiedet alternative Pläne. Doch für die, die dringend nach Frankfurt müssen, ist es eine Zerreißprobe: »Ich habe einen wichtigen Termin in Frankfurt und extra mehr Zeit eingeplant. Das kann doch einfach nicht sein«, schimpft eine Frau auf Nachfrage des Reporters hin und erhält Zustimmung von allen Seiten.
Mehr als zwei Stunden bis zum Flughafen
Eine andere Wartende deutet auf die Anzeige und stimmt mit ein: »Das ist scheiße«. Sie präzisiert: »Man weiß nicht, wo genau die Busse abfahren, man weiß nicht, ob sie kommen. Am Wochenende habe ich über zwei Stunden zu meinem Arbeitsplatz am Flughafen gebraucht und scheinbar komme ich auch heute wieder zu spät. Wer bezahlt mir das?«, schimpft die Vilbelerin. Beim Gedanken, dass sie bald wieder Frühdienst am Flughafen habe, werde ihr ganz anders. »Ich weiß nicht, wie ich das dann machen soll.«
Ein Schienenersatzverkehrsbus fährt ein und eine Traube löst sich aus der großen Masse der Wartenden. Die beiden Vilbelerinnen stehen ganz vorne und fragen den Busfahrer, ob sein Bus zur Konstablerwache fährt. »Nein, nein, tue ich nicht«, antwortet dieser, aber gibt einen wertvollen Hinweis: »Der kommt hinter mir.«
Tatsächlich: Wenige Minuten danach taucht der verschollene Konstabler-Bus auf. Man quetscht sich hinein. Die Kapazitäten, die der Bus aufweist, sind weit von ausreichend entfernt. Und das mittags um 13 Uhr. Den Gesichtern im Bus ist anzusehen, dass die Fahrgäste allesamt wenig begeistert davon sind, wie eng es in dem Gefährt ist und die meisten bereits ähnliche Probleme erlebt haben wie die Wartenden am Südbahnhof. Der Bus erreicht die Konstablerwache. Die Fahrgäste springen hinaus, versuchen Anschlusszüge zu erwischen.
Keine Hinweise auf die SEV-Haltestellen
Unserem Reporter reicht diese Erfahrung bereits. Er möchte nach Hause. Nächstes Problem: Wo fahren die Busse an der Konstablerwache ab? Die Haltestelle vor dem C&A-Geschäft wirkt provisorisch und wird eigentlich für Nachtlinien verwendet. Kein Schild, das »S6« oder »Ersatzhaltestelle« zeigt. Nichts. Jeder Neuankömmling an der Haltestelle sucht offensichtlich nach einem solchen, fasst sich dann ein Herz und fragt die anderen Wartenden: »Ist das die Haltestelle, wo die S-Bahn-Busse fahren?«. Die Antwort lautet: »Vermutlich. Wir wissen es auch nicht.«
Eine Studentin aus Bockenheim erzählt von ihrem Nebenjob in Bad Nauheim. Sie habe überlegt, dort zu kündigen, da sich der Aufwand bei dem Stundenlohn einfach nicht rechnet. »Zum Glück muss ich im Sommer höchstens ein Mal dorthin. Da beiße ich dann wohl in den sauren Apfel. Wenn ich meine Familie in der Wetterau besuchen will, muss ich das sowieso tun.« Mit dem Regionalzug über die Hanau-Umleitung dauere der Weg nämlich recht lang.
Die Faustregel lautet: Mindestens die dreifache Fahrtzeit ist in diesem Sommer einzuplanen. Dass der Bus auch an der Konstabler gut 15 Minuten zu spät kommt, verschlimmert die allgemeine Verwirrung. Dann fährt er doch vor und ist noch voller als der Bus auf der Hinfahrt. Der Fahrer muss aussteigen und von außen die Menschen nach innen drücken, um die Türen zuschieben zu können. Die Horrorfahrt ist gute 25 Minuten später mit Erreichen des Südbahnhofs vorbei.
Was bleibt sind Erschöpfung und einige Fragen: Warum fahren nicht mehr Busse, wenn die Kapazitäten offensichtlich nicht einmal ansatzweise ausreichen? Wäre es so schwer gewesen, die Haltestellen zumindest mit einem winzigen »S6-Ersatzverkehr«-Schild auszustatten? Der Reporter dieser Zeitung genießt erst einmal die frische Luft. Am Donnerstag hat er einen Termin in Frankfurt. Die Vorfreude auf Hin- und Rückfahrt hält sich in Grenzen. Von Niklas Mag
Fahrgäste übernahmen für Busfahrer die Navigation für die Strecke nach Bad Vilbel
Bad Vilbel/Niederdorfelden. Sebastian Hütter aus Nieder-Wöllstadt meldete sich am Montag in der Redaktion der Wetterauer Zeitung. »Morgens wollte ich mit der S-Bahn nach Bad Vilbel fahren und dort dann umsteigen. Die Bahn stand allerdings zwischendurch 20 Minuten auf offener Strecke«, erzählt er. In Bad Vilbel angekommen habe die Beschilderung für den Ersatzverkehr völlig gefehlt. »Es kam ein komplett unmarkierter Bus und wir haben uns alle mit dem Busfahrer ausgetauscht, welche Linie wohin fährt. Dann kam ein zweiter, auf dem stand SEV und diesen haben wir dann genommen.«
Dicht gedrängt und völlig überfüllt sei der Bus nach insgesamt 90 Minuten am Westbahnhof angekommen. Das entspricht fast der vierfachen Fahrtzeit der S-Bahn.
»Noch wilder wurde es auf dem Rückweg. Am Westbahnhof war wieder unklar, wo genau die Busse abfahren.« Nach Beratungen mit Fahrgästen und Busfahrern sei er eingestiegen, der Fahrer habe jedoch zwei Mal die richtige Abfahrt verpasst. »Zwei Fahrgäste haben sich als Navigatoren angeboten und ihn angeleitet.« Die Fahrt sei mehr als abenteuerlich gewesen, denn zwischen Berkersheim und Bad Vilbel müssen die Busse den Heiligenstockweg passieren und dieser ist für seine ewig währenden Schlaglöcher berüchtigt. »Erneut war ich wieder 90 Minuten unterwegs.« (nma)