Wie viele Flüchtlinge kommen noch nach Bad Vilbel? Wo sollen sie wohnen, wer hilft ihnen – und wo gibt es Probleme? Diese Fragen beantworteten Vertreter der Stadt und des neu gegründeten Flüchtlingsvereins auf Einladung der Hassia in deren Blauen Salon.
Bad Vilbel. Die Idee zu der „Podiums-Information“ sei im Frühjahr beim Lions-Clubabend entstanden, sagte Lions-Präsident und Hassia-Gastgeber Dirk Hinkel. Die Frage sei, „wie gelingt die Integration in Bad Vilbel?“
Susanne Förster ist seit Dezember 2013 städtische Koordinatorin für Flüchtlinge und zweite Vorsitzende des neu gegründeten Vereins „Flüchtlingshilfe – willkommen in Bad Vilbel“. Sie hat den besten Überblick: Es leben 240 Flüchtlinge aus 14 Ländern in Bad Vilbel. Überwiegend seien es alleinstehende junge Männer. Betreut werden sie von 80 ehrenamtlichen Helfern.
Ohne Angst
Das ist ein oft spannungsreiches Unterfangen, räumt sie ein: „Die Ansprüche sind auf beiden Seiten hoch und unterschiedlich.“ Doch Probleme ließen sich lösen, wenn man einander „offen, und ohne Angst“ begegne. Ein Vorteil sei, dass es keine Massenunterkünfte gebe und die Neuankömmlinge auf 13 dezentrale Liegenschaften verteilt seien. Das Netzwerk der Helfer funktioniere und entlaste die Verwaltung. In den Unterkünften gebe es Haus-Paten. „Sie übermitteln alles wichtige an uns“, erläutert Förster. Wichtigster Schritt, um hierzulande Fuß zu fassen, sind Deutschkenntnisse. „Wir können jeden Flüchtling in einem Sprachkurs unterbringen“, vom Kita-Kind bis zu Erwachsenen, freut sich die Koordinatorin. Aber auch der erst gegründete Flüchtlingshilfeverein ist gut gestartet und hat schon 45 Mitglieder, und es gebe jeden Tag zwei bis drei Anmeldungen.
Großes Potenzial
Die Vorsitzende Angelika Ungerer berichtet, allein auf dem Heilsberg kümmerten sich 29 Helfer um die Neuankömmlinge im Georg-Muth-Haus. Unter den Flüchtlingen seien viele Studenten, angehende Ingenieure, Ärzte oder Elektrotechniker, „das ist ein Potenzial, das wir uns greifen sollten“, betont sie.
Wie stark das Thema die Stadtverwaltung belastet, schilderte Bürgermeister Dr. Thomas Stöhr (CDU). Jede Woche tage ein Stab aus Magistrat, Verwaltung und Stadtwerken, um Weiteres zu besprechen, vor allem zur Unterbringung. Zu den 240 Flüchtlingen seien 355 weitere Plätze aktuell in der Planung.
Nahezu null Reaktionen habe der Appell an private Vermieter bewirkt: Lediglich in Gronau sei eine Vermietung erfolgt, so Stöhr. Damit „nicht sämtliche Turnhallen belegt werden müssen“, greife man auf städtische Liegenschaften zurück. Im ehemaligen Gebäude des Hessischen Turnverbandes gebe es etwa 50 Plätze, in den frei gewordenen Gebäudes des Rathauses in der Parkstraße, soll ein „Übergangszeit“-Quartier entstehen.
64 Flüchtlinge will man in Containern auf einem Parkplatz an der Huizener Straße unterbringen. Diese Container seien laut Stöhr qualitativ hochwertig und könnten später als privater Wohnraum genutzt werden. In der Homburger Straße 66 entstehen 68 Plätze in Micro-Apartments. Auch im Kurmittelhaus, im Spielhaus im Berkersheimer Weg und in Gronau plant die Stadt Unterkünfte. „Damit sind wir das nächste halbe Jahr gut aufgestellt“, bilanziert Stöhr, warnt aber, das Problem müsse auf europäischer Ebene gelöst werden. Man dürfe die Ehrenamtlichen keineswegs überfordern.
Viele Unsicherheiten
In der Diskussion wird deutlich, dass es keine Ablehnung gegenüber den Flüchtlingen gibt, aber Unsicherheiten. Ob die Flüchtlinge geimpft seien, wurde gefragt. „Ein heikles Thema“, sagt Förster, das müsse in der Landessprache geklärt werden, erfolge aber in den Erstaufnahmeeinrichtungen. Wie man sich verständigen könne, wird gefragt. Die meisten Flüchtlinge sprächen Englisch, ansonsten „mit Händen und Füßen“, so Förster. Auch das Stichwort Kriminalität fiel – von einem Zuhörer, der selbst mit einer Gruppe Flüchtlinge die Polizeistation besucht hatte.
„Wir haben drei Flüchtlinge mit Alkoholproblemen, aber es gibt keinerlei Kriminalität“, erwiderte Sozialdezernentin Heike Freund-Hahn (FDP). Sie beantwortete auch die Frage von Günter Hinkel, wie Werte vermittelt würden. Die meisten Helfer seien Frauen, da gebe es nicht nur beim Thema „gesellschaftliche Stellung der Frau“ einen nachhaltigen Lerneffekt. Doch jenseits der Unterbringung geht es um die Perspektiven. Die Stadt beschäftigt Flüchtlinge bereits „in 1,05-Euro-Jobs“, so Freund-Hahn.
Der Flüchtlingsverein will Gewerbering und Firmen zu Qualifikationen durch Praktika befragen. Viele werden in Bad Vilbel bleiben. „Wir müssen den Menschen Wohnraum und Arbeitsplatz geben, damit sie wirklich ankommen“, appelliert die Vereinsvorsitzende Angelika Ungerer. „Die Flüchtlinge wollen der Gesellschaft auch etwas zurückgeben und Teil der Stadt werden“, sagt sie.