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Wie Karben digitaler wird

Headset statt Telefon: Noch steht auf dem Schreibtisch von Karbens Erstem Stadtrat ein Tastentelefon, das wird bald ausgedient haben. Telefoniert wird dann schnurlos über die virtuelle Telefonanlage. Foto: Klaus Nissen
Headset statt Telefon: Noch steht auf dem Schreibtisch von Karbens Erstem Stadtrat ein Tastentelefon, das wird bald ausgedient haben. Telefoniert wird dann schnurlos über die virtuelle Telefonanlage. Foto: Klaus Nissen

Karben. Karbens Erster Stadtrat Thomas Schrage ist für die Digitalisierung der Stadt zuständig. Im Interview kündigt er an, dass die Karben-App kommt, wie wichtig dafür künstliche Intelligenz ist und warum bald auf Monitoren an den Bahnhöfen Infos aus der Stadt nachzulesen sein sollen. Er erklärt, warum Tastentelefone im Rathaus ausgedient haben.
Seit September ist Thomas Schrage Erster Stadtrat in Karben. In seinem Büro stehen keine Regale mit Aktenordnern. Kein Wunder – der gelernte IT-Spezialist aus Petterweil soll unter anderem dafür sorgen, dass die Stadtverwaltung ihre Arbeit mit Computerhilfe effektiver erledigen kann. Das wird für alle Karbener sichtbare Folgen haben, sagt Schrage im Interview.
Herr Schrage, wie viele Bildschirme stehen in den Dienststellen der Stadt?
Eine ganze Menge. Wir haben etwa 400 Beschäftigte und geschätzt 250 Arbeitsplätze mit Monitor. Dazu kommen viele Tablets. Die Gruppenleitungen unserer Kindergärten wurden gerade mit iPads ausgestattet. Damit sie über die Kita-App leichter und abgesichert mit den Eltern in Kontakt treten können.
Und das gute alte Telefon kommt zum Elektroschrott?
Viele Menschen kommunizieren heute lieber per Mail und WhatsApp. Wir schaffen das Telefon ja nicht ab. Aber in der Zeit der Corona-Pandemie wurden Lösungen eingesetzt, die wir auch jetzt für die Kommunikation nutzen und weiter ausbauen. Und die parallel vorhandenen Tastentelefone auf den meisten Schreibtischen kommen in den nächsten Monaten weg.
Wie bitte?
Am Schreibtisch ist das Headset praktischer. Ich telefoniere dann schnurlos über unsere virtuelle Telefonanlage. Über die ich dort erreichbar bin, wo ich gerade an meinem Rechner arbeite. Das Programm hat auch eine Chat-Funktion, eine Art internes WhatsApp. Wer eine Besprechung ansetzt, muss nicht alle Teilnehmer in einem Raum versammeln, sondern kann diese auch virtuell einbeziehen. All das erleichtert schon seit einiger Zeit die Kommunikation und soll weiter ausgebaut werden.
Rangieren Sie auch die letzten Drucker aus?
Das ist nicht sinnvoll. Bei Bauplänen und ähnlichem sind große Ausdrucke auf Papier übersichtlicher. Manche Vorgänge müssen auf Papier ausgefertigt werden. Aber wir arbeiten daran, möglichst alle Verwaltungsvorgänge von der Schreibmappe in den Computer zu verlagern. Ältere Amtspapiere werden eingescannt und später im Server archiviert.
Es gibt schon viele digitale Antragsformulare auf der Webseite der Stadt Karben.de. Aber einige dieser Formulare muss ich ausdrucken und ganz altmodisch unterschreiben.
Nicht alles geht übers Internet. Ich habe keine Hoffnung, dass sich alle Bürger eine digitale Signatur beschaffen, die es ja schon lange gibt. Aber wir wollen die Abläufe so verändern, dass ein Ausdrucken und Einscannen von Unterlagen unnötig wird.
Entrümpeln Sie auch die Bezahlsysteme? Es macht nicht viel Spaß, wenn ich versuche, meine 22-stellige IBAN fehlerfrei auf das Überweisungsformular zu schreiben.
Sie können im Rathaus eine Gebühr natürlich auch per EC-Karte bezahlen. Aber es stimmt: Wir brauchen andere Bezahlsysteme, wenn die Abläufe digital werden. Wir arbeiten daran, dass alle Karbener mit PayPal oder ähnlichen Systemen zahlen können, wenn sie eine städtische Dienstleistung in Anspruch nehmen.
Wann schalten Sie die Karben-App frei? Sie wurde im März 2024 vom Stadtparlament einstimmig beschlossen. Im App Store habe ich sie noch nicht gefunden.
Wichtig bei einer Stadt-App ist ja, dass dort nicht nur die statischen Inhalte der Homepage der Stadt wiederholt werden. Daher schauen wir nach Möglichkeiten, wie uns hierbei Mittel der künstlichen Intelligenz helfen können, Inhalte von unterschiedlichen Karbener Einrichtungen zusammenzuführen und an einem Punkt aktuell zu halten. Wir haben im Rathaus keine Redaktion, die eine umfassende Stadt-App permanent mit aktuellen Inhalten versorgen könnte, den Veranstaltungskalender betreut, Marketing für unsere Sehenswürdigkeiten macht oder bei Glatteis Push-Nachrichten bei Gefahrenlagen formuliert. Das soll die KI übernehmen. Da brauchen wir hier einen Dienstleister, der die App bereitstellt und mit Inhalten bespielt.
Die Karben-App kommt also irgendwann, vielleicht?
Ich bin sehr zuversichtlich, dass wir eine mit wenig Aufwand nutzbare Plattform dafür finden. Bei manchen dieser Plattformen können die Inhalte parallel auch direkt auf Informations-Bildschirmen angezeigt werden. Einen ersten wollen wir im Zuge der Umgestaltung des Rathaus-Eingangsbereichs aufstellen. Solche Bildschirme könnten zum Beispiel auch an den Bahnhöfen und Bürgerhäusern stehen. Sie können zeigen, was in Karben gerade wichtig und interessant ist. Über dieses System könnten auch die Vereine Werbung für ihre Aktivitäten machen. Die Karbener sollen besser über alles informiert werden, was für sie interessant ist.
Es gibt seit Jahren ein Rats-Informationssystem auf der Homepage, in dem Details städtischer Bauprojekte oder auch der Haushaltsplan einsehbar sind. Das macht aber doch kaum jemand.
Die Digitalisierung hilft uns, alle gut zu informieren. Und zwar besser als bisher. Dabei können wir als Stadt aber nur Informationsangebote machen. Nutzen muss es dann jeder und jede selbst.
Helfen Digitalisierung und KI Ihnen auch, Arbeitsplätze im Rathaus abzubauen? Also die erfahrenen Bediensteten zu ersetzen, die bald in den Ruhestand gehen?
Auf keinen Fall werden Arbeitsplätze verloren gehen, aber Aufgaben verändern sich dadurch und neue Freiräume entstehen. Wir stellen weiterhin ein und bilden junge Leute mit dem Ziel der Übernahme aus. Wenn wir aber Standard-Arbeiten automatisieren und digitalisieren, dann entsteht Raum für unsere Ruhestandsanwärter, ihr tiefes Wissen an die nächste Generation weiterzugeben und diese einzuarbeiten. Ohne diese Zeit geht oft viel Wissen verloren.
Wird eine digitale Verwaltung die Bürokratie entschlacken?
Wir befreien uns durchaus von überflüssigen Regeln und Arbeitsschritten. Vor allem soll der Alltag ja für die Bürgerinnen und Bürger sowie Gewerbetreibenden einfacher werden. Wenn wir das hinbekommen, dann macht es andererseits die Arbeit der Verwaltung oft umso komplexer. Weniger Regelungen bedeuten oft größere Ermessens-Spielräume. Aber die müssen dann für jeden Menschen gleichartig genutzt werden – sonst gibt es Ärger. Das geht leider nur mit Kontroll-Mechanismen – also einem Mindestmaß an Bürokratie.

Von Klaus Nissen