Haben Kinder, die kein Wort Deutsch sprechen, eine Chance, ins deutsche Bildungssystem zu kommen? Ja – wenn sie sprachlich kompetent gefördert werden. Die John-F.-Kennedy-Schule (JFK) geht mit gutem Beispiel voran und kann spektakuläre Erfolge verzeichnen.
Bad Vilbel. Es gibt Schüler, die ihre Lehrer ins Schwärmen bringen. Drei von ihnen sitzen Wilfried Mohn gegenüber. Aufmerksam hören Eshan (12, Klasse 7), Hashiv (14, Klasse 8) und Matija (11, Klasse 6) zu, wenn ihnen Wilfried Mohn etwas erklärt, sie etwas fragt oder ihnen eine Aufgabe stellt. Mit Hilfe des erfahrenen Deutschlehrers im Ruhestand erwerben und bauen die drei Jungen ihre Deutschkenntnisse auf und aus. Der Lehrstoff ist anspruchsvoll für Eshan und Hashiv aus Pakistan, deren Muttersprache Urdu ist.
Die Brüder sind vor neun Monaten mit den Eltern und der Schwester nach Deutschland gekommen – ohne ein Wort Deutsch zu sprechen oder zu verstehen. Verständigt haben sie sich auf Englisch, das sie auf ihrer Privatschule lernten. „Als wir nach Deutschland gekommen sind, haben wir nichts verstanden. Onkel und Tante, die schon länger hier leben, haben für uns alles übersetzt. Erst als wir einzelne Wörter verstanden haben, fingen wir an, uns wohlzufühlen“, erzählen sie. Seit sechs Monaten besuchen die Brüder die JFK.
„Ich habe schon ein bisschen Deutsch verstanden“, berichtet Matija, der vor fünf Monaten aus Montenegro nach Bad Vilbel kam. Da alle drei keine oder kaum Deutschkenntnisse hatten, besuchen sie neben dem regulären Unterricht eine der beiden Inklusionsklassen (IKL) von Vanessa Körner, die zusätzlich Deutschkurse für ausländische Schüler anbieten.
Wilfried Mohn und sein ebenfalls pensionierter Kollege Joachim Astemer unterrichten ehrenamtlich Kinder, die ohne deutsche Sprachkenntnisse in die Klassen fünf und sechs eingeschult werden. Ab Klasse sieben unterrichten die ehemalige Lehrerinnen Elvira Chtouris-Vogel und Christine Gortner Kinder mit mangelnden Deutschkenntnissen in Zweiergruppen.
Entspannte Atmosphäre
Für alle Lehrer gilt: Wichtig ist es, erst einmal eine entspannte, vertrauensvolle Atmosphäre herzustellen, damit sich die Schüler wohlfühlen und lernen können. Denn viele der Kinder haben trotz ihrer jungen Jahre bereits großes Leid erfahren. „Es ist eine sehr vielfältige Arbeit, die großen Spaß macht, weil man Schüler hat, die Lust haben, etwas zu lernen, aufmerksam und konzentriert bei der Arbeit und zudem sehr fleißig sind. Ich komme glücklich aus dem Unterricht“, berichtet Wilfried Mohn.
Er profitiert bei der Wahl der Unterrichtsmittel von den Kenntnissen seiner Frau Jutta, die Grundschullehrerin ist. Mit Hilfe von Bildtafeln, Zahlenspielen, Auszählreimen und Spielgeld, aber auch Büchern und Zeitungen werden die Schüler zum Sprechen, Verstehen, dem Bilden von Sätzen und Erzählen von Geschichten motiviert. Zusätzlich schreiben sie Texte ab und arbeiten mit ihren Lehrern Grammatikhefte durch.
Doch die Kinder berichten auch viel über ihre Heimatländer und ihr dortiges Leben. „Hier können wir mit dem Rad zur Schule fahren und in den Pausen Fußball spielen. Das konnten wir in unserer Schule in Rabwah nicht. Da hat uns unser Vater mit dem Auto hingebracht und abgeholt, aus Angst vor Bombenanschlägen.“ Mädchen mit Migrationshintergrund müssten sich oft erst in den gemischten Klassen einleben. Sie seien generell schüchtern und stiller als Jungen, aber genauso diszipliniert und fleißig, lobt Wilfried Mohn. Der Grund für Defizite in den sprachlichen Schulleistungen oder für Schweigen im Unterricht, obwohl Schüler Deutsch lesen und sprechen können, sei teils mangelnde Ansprache. „Sie brauchen jemanden, der sich um sie kümmert.“ Stolz sind die Pädagogen auf die Leistungen von Omar Mohamed (17), der vor zwei Jahren und sieben Monaten an die JFK kam, ohne ein Wort Deutsch zu können – und die Schule jetzt mit einem Hauptschulabschluss und einem Notendurchschnitt von 2,0 verlässt. Er geht auf eine Berufsfachschule, um in zwei Jahren seine Mittlere Reife zu machen.
Erfolgreich wie Omar ist Antoine Barakat (17), der vor drei Jahren an die John-F.-Kennedy-Schule kam und jetzt mit einem Realschulabschluss der Note 1,8 auf ein Gymnasium wechselt. Die beiden Syrer gehören zu den Schülern, die der scheidende JFK-Rektor Peter Mayböhm auf der Abschlussfeier auszeichnete: „Diese Jungs sind hervorzuheben, weil sie an anderen Kategorien zu messen sind. Ihre herausragenden Leistungen sollten unbedingt gewürdigt werden.“