Hörgeschädigten Kleinkindern den Zugang zu Kindergeschichten ermöglichen: Das ist eine Herzensangelegenheit des gehörlosen Bad Vilbeler Kommunalpolitikers Sascha Nuhn und seiner Frau Judith Arnold. Die Leberecht-Stiftung der FNP unterstützt das Projekt.
Bad Vilbel. Hören ist der erste Sinn, der bereits im Mutterleib funktionsfähig ist. Hören bildet die Basis für den kindlichen Spracherwerb, die Lese- und Ausdrucksfähigkeit. Hören fördert Fantasie, Kreativität und Konzentration. Vorausgesetzt, es wird bei der Geburt kein Hörschaden diagnostiziert, dann steht der normalen sprachlichen Entwicklung nichts im Wege.
Doch was ist mit Babys, die von Geburt an eine starke Hörschädigung haben oder gehörlos sind? Und kaum oder keine Möglichkeit haben, Sprache auf auditiven Weg zu erlernen? Für diese Kinder produziert der 1923 gegründete „Hessische Verband für Gehörlose und hörbehinderte Menschen“ Gebärdensprachenfilme.
Oft vergessen
Ins Leben gerufen hat das Projekt „DGS-Kids – Kindergeschichten in Deutscher Gebärdensprache“ der gehörlose Bad Vilbeler Sascha Nuhn. Er ist Geschäftsführer des Landesverbandes und als Mitglied der Grünen-Fraktion im Stadtparlament seit März 2016 Hessens einziger gehörloser Kommunalpolitiker.
Das Motto des Fallschirmspringers, Tiefseetauchers und Motorradfahrers lautet: Geht nicht, gibt’s nicht. Der Vater einer hörenden Tochter bedauert: „Menschen mit Sinnesbehinderungen werden zu oft von der Gesellschaft vergessen.“ Deshalb ist das DGS-Kids-Projekt für gehörlose Kleinkinder und deren Entwicklung so wichtig. Seit einem Jahr ist Nuhns hörgeschädigte Ehefrau Judith Arnold für das Projekt zuständig. Sie sagt: „Unser Ziel ist es, gehörlosen und hörgeschädigten Kindern und ihren Eltern, die für die Kommunikation die Gebärdensprache verwenden, ohne Mehraufwand Zugang zu Kinderbüchern in Form von Gebärdensprachenvideos und damit zur Bildung zu ermöglichen.“ Zudem seien die Videos eine große Hilfe nicht nur für die Behinderten, sondern auch für Eltern, die keine Gebärdensprache können, hörende Kinder mit Down-Syndrom oder hörende Kinder tauber Eltern.
Produziert werden die Gebärdensprachen-Videos von einem Kollegen im professionell ausgestatteten Studio der Geschäftsstelle des Landesverbandes in Bornheim. Derzeit sieben Gebärdenspieldarsteller übersetzen die Texte für ihr Publikum.
Zur Auswahl sagt Judith Arnold: „Ich frage bei Familien mit Kindern und im Freundeskreis nach, welche Kinderbücher gerade bei der Altersgruppe besonders gefragt sind. Dann kontaktiere ich wegen der Rechte die Verlage und Autoren.“
Verlage machen mit
Bei einer Zusage stelle der Verlag Hintergrundbilder, Titel und ein Buch zum Üben für die Gebärdendolmetscher zur Verfügung. Mit im Boot sind bisher unter anderen die Verlage Ravensburger, Carlsen/Arena, Klett, Ars-Edition, Moritz, Lingen und Oettinger – die Zusammenarbeit klappt gut. Auch Autoren wie der Dortelweiler Jörg Mühle oder Dagmar Geisler unterstützen das Projekt. Das sei nicht selbstverständlich, denn oft bekommen Nuhn und Arnold Absagen.
Sehr freuen sich Judith Arnold und das Team über die Förderung durch die Leberecht Stiftung der Frankfurter Neuen Presse. „Wir haben 2017 eine Spende von 12 000 Euro erhalten und bekommen 2018 erneut eine Spende in gleicher Höhe. So können wir auch dieses Jahr wieder rund zwölf Bücher in Zusammenarbeit mit dem Kinder- und Jugendbüro Hessen-Baff übersetzen“, sagen die Initiatoren.
Die Kosten pro Produktion liegen je nach Textumfang zwischen 1000 und 1500 Euro. Die Eltern der gehörlosen oder hörgeschädigten Kinder kaufen ein Buch und erhalten dazu einen kostenlosen Videozugang im Internet. Gefragt sind die produzierten Kindergeschichten in Gebärdensprache bei Familien im gesamten im Rhein-Main-Gebiet.
Gebärdensprache erlernen rund 1200 Schüler an vier hessischen Förderschulen. Rund 800 Kleinkinder gehören zur Zielgruppe. „Meist sind Vorschulkinder nicht erfasst. Betroffen von einer Hörschädigung sind rund ein Prozent aller Neugeborenen. Oft werden Hörgeschädigte und Gehörlose bei der Vergabe von Spenden vergessen“, sagt Arnold – und ist umso glücklicher über die Spende.
Die Geschichten und mehr Infos gibt es im Internet unter www.dgs-kids.de.