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Wem vertrauen Sie? – Das Wort zum Sonntag

In der Finanzkrise, die wir zurzeit erleben, hört man immer wieder den Satz: „Das Vertrauen unter den Banken muss wiederhergestellt werden.“ Im Moment ist kein Vertrauen mehr da. Niemand will Geld verleihen, niemand traut dem anderen mehr über den Weg. Einzelne Banken bekommen kein Geld mehr, auch wenn die Geschäftszahlen nach außen hin eigentlich gut aussehen. Denn wer weiß, welche „Leichen“ dort noch im Keller liegen! Überraschend ist das wahrscheinlich nur für Außenstehende: In einer Welt, in der es vordergründig nur um Zahlen und harte Fakten geht, steht plötzlich so etwas wie Vertrauen im Mittelpunkt.

Das gilt aber nicht nur für die Finanzwelt. In allen Bereichen des Lebens kommen wir ohne Vertrauen nicht aus: Wir vertrauen dem Busfahrer, dass er tatsächlich einen Führerschein hat und nüchtern am Steuer sitzt. Wir vertrauen der Ärztin, dass sie kompetent ist und nicht nur am eigenen finanziellen Gewinn interessiert ist. Wir vertrauen der Lebensmittelindustrie, dass sie keine Gifte in die Produkte packen. Und wir vertrauen dem Partner, dass er kein Doppelleben führt, sondern ehrlich zu uns ist. Natürlich, es gibt manchmal klare Hinweise dafür, ob unser Vertrauen gerechtfertigt ist. Aber Beweise haben wir keine. Dennoch steigen wir in den Bus, gehen wir zum Arzt, kaufen wir im Supermarkt ein und treten sogar vor den Traualtar. Denn ohne Vertrauen steht das Leben still. Diese Welt lebt von dem Vertrauen. Dennoch würden viele Menschen das Vertrauen lieber hinter sich lassen. Sie sagen: „Vertrauen ist gut, Kontrolle ist besser“. Natürlich wird man bei den Banken in Zukunft mehr wissen wollen und ihre Geschäfte besser kontrollieren. Aber wie bei den meisten wirklich wichtigen Dingen im Leben, so auch bei Beziehungen, werden wir nie über das Vertrauen hinauskommen. Das gilt auch für die letzten Dinge des Lebens, die mit Gott zu tun haben. Der Begriff für „Glauben“ ist in der Sprache des Neuen Testaments derselbe Begriff wie für „Vertrauen“. Im Hebräerbrief, Kapitel 11 heißt es: „Der Glaube ist eine feste Zuversicht auf das, was man hofft, und ein Nichtzweifeln an dem, was man nicht sieht.“ Wer erst Beweise dafür haben will, ob Gott existiert und an den Menschen wirklich interessiert ist, wird es nie erfahren. Wer nur objektiv kontrollierbare Aussagen akzeptiert, dem werden die Glaubenserfahrungen anderer Menschen immer ein Rätsel bleiben. Wie bei allen wirklich wichtigen Dingen des Lebens müssen wir, was Gott angeht, Vertrauen investieren. Aber wer es wagt, wird Gott erfahren. Davon bin ich überzeugt.

Pfarrer Jens Martin Sautter

Ev. Christuskirchengemeinde