Karben. »Die Lösung ist die Kernfusion. Die gibt es schon so lange unser Sonnensystem besteht. Wir müssen sie nur richtig nutzen.« Mit seinen einleitenden Worten schockte Achim Parbel vom Vorstand der Mittelhessischen Energiegenossenschaft (MiEG) am Freitagabend im Bürgerzentrum die mehr als 150 Gästen. Sie waren gekommen, um sich über Solarstrom unter dem Motto »Alles gut bedacht« zu informieren. Kernfusion schien da nicht zu passen.
Eingeladen hatten die Karbener Grünen. Sie waren überrascht über die Resonanz. »Wir hatten vorher schon 130 Anmeldungen. Und jetzt sind trotz des schlechten Wetters sogar noch weit mehr gekommen«, sagte Stadtrat und Grünen-Vorstandsmitglied Mario Schäfer. Mit »die Kernfusion richtig nutzen« meinte Parbel natürlich die Sonnenenergie. Mit einer Solaranlage auf dem Dach oder auf dem Balkon kann diese Energie in Strom umgewandelt werden und umweltfreundlichen, klimaschonenden Strom produzieren. Eine Solaranlage auf dem eigenen Dach setzt keine Schadstoffe frei, arbeitet geräuschlos und wartungsarm. Sonnenenergie ist kostenlos und praktisch unbegrenzt verfügbar, ihre Nutzung schützt vor steigenden Strompreisen. Im Gegensatz zu Öl und Gas ist sie unabhängig von Lieferungen aus Ländern mit politischen Krisenherden. Mit einer Solaranlage kann in jedem Haus eigener Strom erzeugt werden. So einfach. So gut. Vor dem Bau und dem Betrieb einer eigenen Solaranlage sind einige Hürden zu überwinden, dämpft Parbel die aufkommende Euphorie: Was kostet eine solche Anlage? Rechnen sich Anschaffung und Betrieb für mich? Ist mein Dach, mein Haus für eine derartige Anlage geeignet?
Zwei Millionen
Solaranlagen
In Deutschland gibt es zurzeit rund zwei Millionen Solaranlagen. Die meisten befinden sich auf privaten Dächern. Lange Zeit war Deutschland in der Solartechnik führend. Das lag unter anderem auch daran, dass durch die Einspeisevergütung sich die Stromerzeugung auf dem Dach auch für Privatpersonen rechnete. Mit der Reduzierung der Einspeisevergütung sei seit fast zehn Jahren das Interesse an Solaranlagen gesunken. Gas sei preiswerter gewesen und verdrängte so die private Stromerzeugung. Das habe sich schlagartig mit dem Ukraine-Krieg und dessen Folgen geändert.
»Zurzeit haben wir in Deutschland auf 1,6 Millionen Dächern von Ein- oder Zweifamilienhäusern Fotovoltaikanlagen. Möglich wären jedoch heute schon 11,7 Millionen«, rechnete Parbel vor. »Wenn auf all den privaten Häusern PV-Anlagen arbeiten, brauchen wir kein Gas mehr«, erklärte er.
Vor Kurzem habe die Bundesregierung Erleichterungen auf den Weg gebracht, um mehr erneuerbare Energien zu erzeugen. In seinem eineinhalbstündigen Vortrag zeigte Parbel auf, wann sich eine PV-Anlage für einen privaten Hausbesitzer wirtschaftlich rechnet. Wichtige Frage dabei ist beispielsweise, steigt oder sinkt der Stromverbrauch in der Zukunft etwa durch Anschaffung einer neuen Heizung oder eines E-Autos? Nach welcher Himmelsrichtung ist das Haus ausgerichtet. Das kann entscheidend für die Effektivität der Anlage sein. Geht man von einem Anschaffungspreis von rund 8500 Euro aus zuzüglich einer Speichereinheit in Höhe von noch einmal 4000 Euro, amortisiere sich eine derartige Anlage in etwa 16 Jahren. Statt der jetzt üblich 36 Cent pro Kilowattstunde kostet einem der selbst erzeugte Strom dann nur zehn bis zwölf Cent.
Welche Anlagen
für Mieter ideal sind
Interessant für Mieter seien Balkon- oder Gorilla-PV-Anlagen. Die kosten mittlerweile um die 1200 Euro, können auch von Laien an die Steckdose zu Hause angeschlossen werden und reichen mit ihren 300 Watt Leistungen aus, um die Dauerläufer im Haushalt wie Standby von Fernsehen, Telefonanlagen oder Kühlschränken mit Strom zu versorgen.
Die Fragerunde zeigte, dass sich die meisten Zuhörer bereits sehr genau mit dem Thema beschäftigt hatte. Trotzdem gab der Experte den Rat: Wer Interesse hat, sollte sich von einem Fachbetrieb vor dem Kauf einer PV-Anlage, egal ob klein oder groß, beraten lassen. (jwn)