Karben. Die Neuregelungen der Düngeverordnung verändern die Landwirtschaft. Durfte noch vor drei Jahren nach der Ernte Mist, Gülle und Hühnerkot überall ausgebracht werden, ist das heute tabu. Landwirt Karl-Wilhelm Kliem aus Kloppenheim sagt, diese Regelung sei willkürlich. Er hat schon vor einiger Zeit am Verwaltungsgerichtshof in Kassel dagegen Klage eingereicht.
Es gibt Grenzen, die kennt jeder: Die zwischen Frankfurt und Offenbach oder zwischen Kloppenheim und Petterweil. Ein Landwirt weiß genau, wo seine Scholle endet und die des Nachbarn beginnt. Für Ackerbauern gibt es weitere nahezu unsichtbare Grenzen: Diese sind auf Karten rot darübergelegt. Das sind die »Roten Gebiete«. Für diese gelten besondere Regeln fürs Düngen. Das soll dem Schutz des Grundwassers dienen. Geregelt ist das in der Düngeverordnung.
Nährstoffbilanz
nachvollziehbar
Beim Stichwort »Rote Gebiete« und »Düngeverordnung« sprudelt es aus Karl-Wilhelm Kliem nur so heraus. Der Landwirt aus Kloppenheim klagt, unterstützt vom Hessischen Bauernverband, gegen diese Verordnung. »Das, was früher selbstverständlich war, ist über den Haufen geworfen. Ideologie dreht das Rad zurück.«
Seit mehr als 30 Jahren leitet der 56-Jährige den Margarethenhof mit seinen inzwischen 400 Hektar Land, 60 000 Legehennen und dem Hofladen. In all den Jahren hat er den Boden, auf dem Kartoffeln, Zuckerrüben, Weizen, Bohnen, Sonnenblumen und Co. wachsen, immer kontrolliert. Digital kann er bis Ende der 1980er Jahre belegen, dass die Nährstoffbilanz auf seinen Flächen nie im Überschuss war. Folglich auch kein Nitrat ins Grundwasser gelangt sein könne.
Bei den roten Gebieten geht es darum, dass hier angenommen wird, dass das Grundwasser mit aus den Äckern ausgewaschenen Nährstoffen belastet sei. »Das Problem ist, dass in Hessen nur ganz wenige Messpunkte angenommen werden. Der für uns maßgebliche liegt in Friedberg-Ossenheim.« Bis dahin sind es Luftlinie etwa zwölf Kilometer. Weitere Messstellen gibt es in Frankfurt. »Wir brauchen ein dichteres Messstellennetz.« Dass es das nicht gibt, können Kliem und sein Anwalt nicht nachvollziehen. In Hessen gebe es je 120 Quadratkilometer nur eine Messstelle, kritisiert Theodor Merkel, der auf Umweltrecht spezialisierte Anwalt beim Bauernverband. Die Vorgabe der EU laute eine Messstelle je 20 beziehungsweise 50 Quadratkilometer. Mit der Klage ist ein Hydrologisches Gutachten eingereicht worden. Kliem rechnet, damit bei den Richtern in Kassel punkten zu können.
Hühnerkot darf nur
im Frühjahr drauf
»70 Prozent der Flächen, die wir bewirtschaften, liegen in roten Gebieten.« Die Vorgabe hierfür ist, dass 20 Prozent weniger Nährstoffe ausgebracht werden dürfen, als die Pflanzen benötigen. »Das bedeutet, dass die Pflanzen ihr Potenzial nicht ausschöpfen können und wir weniger ernten«, erklärt der Ackerbauer. »Einem Baby, das wachsen muss, gibt doch auch niemand einfach mal 20 Prozent weniger Nährstoffe«, vergleicht er.
Ein weiterer Nachteil: In den roten Gebieten darf er mit getrocknetem Kot seiner Legehennen nur noch in einem sehr kurzen Zeitfenster im Frühjahr düngen. »Um den Kot lagern zu können, mussten wir nun 180 000 Euro in ein zusätzliches Lager bei den Hühnerställen investieren.«
Bevor die Düngeverordnung in Kraft getreten ist, wurde nach der Weizenernte der Hühnertrockenkot auf die Felder gestreut, anschließend ist eine Zwischenfrucht ausgesät worden, die über Winter auf dem Acker blieb. »Im Frühjahr haben wir dann Kartoffeln darauf angebaut, die viel Stickstoff zum Gedeihen benötigen«, erklärt Kliem. »Das war bisher immer die gute fachliche Praxis.« Die habe funktioniert. Den Pflanzen genauso viel Nahrung in Form von Dünger zur Verfügung zu stellen, wie sie brauchen, ist seine Maxime. »Schon Justus von Liebig hat das herausgefunden«, sagt der staatlich geprüfte Agrartechniker. »Meine Berufsbezeichnung sagt aus, dass der Staat mich geprüft hat, und nun handelt er gegen mich.«
Für seinen Betrieb hat er Konsequenzen gezogen: Kartoffeln wachsen nun auf den Äckern, die nicht in den roten Gebieten liegen. »Wir haben in diesem Jahr zehn Hektar weniger Kartoffeln angebaut.«
Ein Umstellen auf Öko-Landwirtschaft sei auch keine Lösung. »Die Nachfrage nach Bio-Lebensmitteln, die mehr kosten müssen, ist nicht vorhanden«, weiß Kliem.
Der Kloppenheimer hofft auf einen Richter, der die Zusammenhänge und Abläufe in der Landwirtschaft versteht.
Kliem lenkt den Blick auf ganz andere mögliche Verursacher von hohen Nitratwerten im Grundwasser. »Die vielen maroden Abwasserkanäle und Kläranlagen, die bei stärkerem Regen überlaufen.« All das sei nicht beachtet worden, als Deutschland überhastet nach einer Abwendung des EU-Strafverfahrens wegen zu hoher Nitratbelastung im Wasser gesucht habe.
Wann die Klage am Verwaltungsgerichtshof in Kassel verhandelt wird, weiß Kliem nicht. »Die sind aktuell überlastet.«
Von Ines Dauernheim