Es ist nur ein Wappen, das bei einer Haussanierung in Dortelweil plötzlich aus dem Straßenbild verschwand. Doch dahinter verbirgt sich eine lange Geschichte, die viel mit Armut zu tun hat, an die nicht jeder mehr so gerne erinnert werden möchte.
Bad Vilbel. Jahrhunderte lang prunkte ein Adler über dem Haus Obergasse 9 in Dortelweil. Kein Zufall, denn der Ort wurde um das Jahr 1292 der Freien Reichsstadt Frankfurt zugesprochen und gehörte danach für fast 600 Jahre als eine von acht Landgemeinden zu deren Territorium. Die Bewohner Dortelweils waren damals Leibeigene des Frankfurter Rats und somit zu Frondiensten verpflichtet. Die Leibeigenschaft wurde erst im Jahre 1818 endgültig abgeschafft.
Enklave
Nach der Annexion der Freien Stadt Frankfurt durch Preußen im Jahre 1866 kam Dortelweil als Enklave an das Großherzogtum Hessen. Unter dem Frankfurter Adler fand sich die Inschrift „Gott wolle sich der Armen Allezeit erbarmen“. Das historische Gebäude war früher als „Kastenhaus“ bekannt und gehörte dem allgemeinen Almosenkasten zu Frankfurt. Die 1531 errichtete Sozialstiftung übernahm damals soziale Aufgaben vor allem in der Armenfürsorge (Versorgung Bedürftiger mit Nahrung, Kleidung und Geld) und kümmerte sich um Geisteskranke; damit begründete sie eine erste organisierte Versorgung von geistig Behinderten. Es gibt den Almosenkasten noch heute, er residiert in den Räumen des Frankfurter Liegenschaftsamtes. Bedürftigkeit prüft das Sozialamt.
Das Wappen auf dem ehemaligen Wirtschaftsgebäude des Kastenhofes aber ist weg, verschwunden seit die Stadt das Haus aufwendig sanieren ließ. Ein Alt-Dortelweiler Anwohner bedauerte das Verschwinden des historischen Symbols und fragte bei der Stadt nach dessen Verbleib.
Auf sein Schreiben hin antwortete Bürgermeister Thomas Stöhr (CDU): „Wie Sie schon richtig angemerkt haben, wurde die Fassade des städtischen Wohnhauses in der Obergasse 9 vor kurzem mit Wärmedämmplatten versehen. Der Wappenstein wurde unter der Dämmung dabei fachgerecht gesichert.“ Das Bauamt habe viele Spezialisten angefragt, was möglich sei, um den Stein dort herauszuarbeiten. Eine Herausnahme „hätte jedoch den Stein sehr gefährdet. Er ist aus Stuck.“
Schimmelgefahr
Zudem wäre die Dämmung an dieser Stelle unterbrochen worden, so Stöhr, „was zu einer sogenannten Kältebrücke geführt hätte. Kältebrücken bergen eine hohe Gefahr für Schimmelbildung, die wir den Bewohnerinnen und Bewohnern aber verständlicherweise nicht zumuten wollen“, so Stadtoberhaupt Stöhr.
An der Sanierung des städtischen Wohnhauses komme die Stadt nicht vorbei, betont Stöhr, so sei „die Sanierung und die Einhaltung bestimmter Dämmvorgaben laut Energiesparverordnung 2009 Pflicht. Die neue Dämmung entlaste dazu noch die Umwelt durch eine Verringerung der Kohlendioxid-Emissionen. „Aus diesen Gründen war eine Herausnahme des Steins bereits aus rein technischen Gründen nicht möglich. Von der Anbringung einer Plakette nehmen wir Abstand, da dies ja nicht dem Original entsprechen würde“, ergänzt Bürgermeister Thomas Stöhr. Er merkt noch an, dass das Gebäude früher im Ort als „Armenhaus“ bekannt gewesen sei. Von daher würden sicher einige Bürger das jetzt verschwundene Wappen nicht vermissen.