Bald ist es soweit: Der Bundestag wird Ende September neu gewählt. Schon längst sind die Parteien im Wahlkampfmodus. Auch viele Bürgerinnen und Bürger bereiten sich vor auf das Hochamt der Demokratie in Deutschland. Und nicht wenige sind unentschlossen, wem sie ihre Stimme geben sollen. Können Kirchen, können Christinnen und Christen angesichts dessen eine klare Wahlempfehlung geben? Ich behaupte: Ja!
Klar, Gott ist nicht parteiisch. Zumindest nicht in dem Sinn, dass er für die eine oder andere Partei wäre. Christlich, sozial, ökologisch, der Freiheit zugetan – man merkt an den Namen der Parteien sehr schnell, dass man, wenn man will, bei allen etwas Gutes finden kann. Aber klar ist auch: Gott ergreift sehr wohl Partei! In den Erzählungen der Bibel, in den Texten des Alten und Neuen Testaments wird immer wieder deutlich: Gott tritt ein für die Schwachen, die Kranken, die Rechtlosen. Er verleiht denjenigen eine Stimme, die sonst kein Gehör finden. Und er fordert alle Menschen auf, sich am politischen Prozess zu beteiligen.
„Suchet der Stadt Bestes“, heißt es beim Propheten Jeremia. Er richtet sich an die Gläubigen, die in der Fremde wohnen und sehr schnell dabei sein könnten, sich zu separieren, sich nur um das Eigene zu kümmern. Aber das Gegenteil erwartet Gott: Kümmert euch um die Gesellschaft, in der ihr lebt! Egal, ob ihr erst kurz dazugehört oder schon lange. Verbunden mit der Überzeugung, dass das Leben besser gelingt, wenn man füreinander da ist und nicht gegeneinander, könnte man durchaus eine Wahlempfehlung ableiten aus der guten Nachricht vom Menschen liebenden Gott: Wählen Sie eine Partei, die für und nicht gegen das Miteinander von Menschen eintritt. Engagieren Sie sich politisch, indem Sie um das Beste für eine Stadt in ihrer Gesamtheit ringen, nicht bloß um das größte Stück vom Kuchen für eine kleine Gruppe von Menschen. Treten Sie ein für das Reden miteinander anstatt bloß übereinander, für den respektvollen Austausch von Argumenten auch bei Meinungsverschiedenheiten.
Das Spannende ist: Ganz offensichtlich fängt Politik nicht erst am Wahlsonntag an. Denn die „Wahlempfehlung“ hat ja auch Konsequenzen für das Miteinander im Freundes- und Familienkreis und darüber hinaus. Aber wenn es soweit ist und wir zur Stimmabgabe aufgefordert werden, dann darf das Ringen um „der Stadt Bestes“ nicht stehenbleiben beim politischen Dialog. Dann muss sich die Aufforderung des Propheten Jeremia niederschlagen in einem Kreuz. Wo auch immer Sie es hinsetzen werden, diese eine Wahlempfehlung ist aus christlicher Sicht völlig klar: Wählen Sie bunt, aber wählen Sie, geben Sie Ihre Stimme ab und ringen Sie auch auf diesem Weg mit um das Wohl der Stadt und des Landes.
Ihr Pfarrer Ingo Schütz
Evangelische Christuskirchengemeinde Bad Vilbel