Bad Vilbel. Nach dem Ende des Zweiten Weltkrieges fanden auf dem früheren Truppenübungsplatz der Vilbeler Höhe, vor den Toren Frankfurts, viele heimatlose ehemalige deutsche Soldaten zusammen. Sie waren aus der Kriegsgefangenschaft entlassen worden und konnten nicht mehr in ihre frühere Heimat zurückkehren, weil diese im russischen Machtbereich lag. Sie suchten ihre Angehörigen, die geflüchtet oder vertrieben waren. In dieser Not nahm sich das Evangelische Hilfswerk ihrer an.
Da alle den Willen zum Aufbau einer neuen Existenz hatten, fing man an, Häuser und Straßen zu bauen. Auf einem Brachland, durchfurcht von Schützengräben und bestückt mit einigen uralten Apfelbäumen wurde aus Lehm und Trümmern neues Heim geschaffen.
Es waren erst wenige der weit über 100 arbeitenden Flüchtlinge, die ihre weitverstreut lebenden Familienangehörigen nach Jahren zusammenführen konnten. Aber der Anfang war gemacht, die Geburtsstunde der schönen Siedlung „Heilsberg“ – 1948 benannt nach der ostpreußischen Bischofsstadt Heilsberg – hatte geschlagen.
Eine der größten Gruppen an Männern stammte aus den Gebieten Ostpreußens, Westpreußens und Danzigs. Bald wurde aus den lockeren Zusammenkünften eine feste Gemeinschaft und man gründete im Oktober 1950 den „Verein der heimattreuen Ost-/Westpreußen und Danziger“. Mit Lehrer Ernst Wolk fand man einen Vorsitzenden, der durch seine lockere Art und seine Fähigkeit zum Motor dieser Vereinigung wurde, die ihre ersten Veranstaltungen in der Gaststätte „Zur Sonne“ abhielt. Es wurde ein Chor gegründet, man studierte Theaterstücke ein, feierte miteinander.
Hoch im Kurs standen die Faschingsveranstaltungen, die zuerst in der „Sonne“, dann in der „alten Kirche“ und von 1971 bis 1989 im Georg-Muth-Haus für Stimmung sorgten. Es wurden Ausflüge unternommen, Wanderungen, traditionelle Feste gefeiert. Besondere Verdienste erwarb sich dabei Ernst Wolk. „Mit Wissen und Beharrlichkeit wusste er Geschichten, Lebensart und Bilder der alten Heimat in stete Erinnerung zu bringen und wach zu halten, leistete Hilfe bei der Eingliederung“, berichtet Jutta Bamberger. Er wurde damals von 50 bis 60 Mitgliedern aktiv unterstützt, darunter von Bruno Sukowski, Hans Schimanowski, Elise Hain, Lotte Schmegel, Fritz Czichelski, Bernhard Wolk, Herbert Janneck, Emil Welther, Johannes Schneider und Robert Bialeit.
Erwähnenswert ist zudem, dass das erste Kind, das auf dem Heilsberg getauft wurde, Brigitte Bogun (heute verheiratete Haupt), Kind eines Vereinsmitgliedes war.
Nach dem Tode von Ernst Wolk 1978 übernahm Wolfgang Huwe den Vorsitz des Vereins, der sich dann auch „Außenstehenden“ öffnete, die nicht aus dem Osten stammen. Huwe hatte ein Händchen für schöne Ausflüge, die in alle Himmelrichtungen führten, nach Werfen, Würzburg, Lüneburg, Ostpreußen, Fulda, Trier, Straßburg, Potsdam und Berlin, aber auch ins Vogtland, Erzgebirge und immer wieder auch in den Vogelsberg.
Huwes Idee war es 1994, eine Tanzgruppe unter Leitung von Judith Steinbrenner zu gründen. Seine Frau, Edith Huwe, ermunterte dazu, ostpreußische Trachten aus handgewebtem Stoff zu nähen und so die Tradition zu bewahren.
Stolz ist man im Verein auf Herbert Janneck, Werner Huwe, Emil Welther und Robert Bialeit, die Weihnachten 1996 für ihre ehrenamtliche Tätigkeit mit der goldenen Ehrennadel der Stadt Bad Vilbel geehrt wurden.
Seit Januar 2009 wird der Verein von Jutta Bamberger und Ingeborg Spieshoefer als Doppelspitze geleitet. Wolfgang Huwe ist heute Ehrenvorsitzender, sein Cousin, Werner Huwe, der 40 Jahre lang Kassenwart war, Ehrenmitglied. Beide erhielten auch den Ehrenbrief und die silberne Anstecknadel des Landes Hessen.
Zukunftsängste habe man im Verein keine. Die knapp 100 Mitglieder seien eine solide Basis, „um das Erbe der Väter auf dem Heilsberg in Ehren zu halten, die Treue zur Heimat der Väter und die ostpreußische Kultur zu pflegen“, betont Jutta Bamberger. (sam)