Ein Vizebürgermeister im Alter von 75 Jahren? Diesen Geburtstag feierte Otmar Stein in der vergangenen Woche. Der CDU-Politiker arbeitet, obwohl seit einer Dekade im Rentenalter, weiterhin Vollzeit – und zwar rein ehrenamtlich.
Karben. Mit dem Stift fährt Otmar Stein am Bildschirm entlang. „Sehen Sie, hier.“ Auf der Montage ist Karbens Stadtzentrum im fertigen Zustand zu sehen. Von der Bahnstrecke her sind die Flächen beiderseits der Brunnenstraße bebaut. Ein breiter, grüner Streifen mit vielen Bäumen durchzieht das Gelände. Auch das neue Stadtzentrum samt Bücherei auf dem Dreiecksgrundstück vorm Selzerbrunnencenter ist bebaut. „Man bekommt so langsam das Gefühl, wie sich das Stadtzentrum anfühlt“, sagt Stein.
Voller Elan und mit bedächtiger Ruhe zugleich erklärt er, wie sich das Zentrum in den nächsten Jahren Stück für Stück behutsam füllen soll. Otmar Stein, der gerade 75 Jahre alt geworden ist, ist in der Regierung zuständig für Immobilien und Wirtschaftsförderung. Er ist somit der Kopf hinter der Entwicklung der Stadt in den vergangenen fünf Jahren. „Das hat es früher in der Intensität nicht gegeben“, findet der Klein-Karbener.
34 Jahre mitregiert
Stein vertritt als Vizebürgermeister auch Rathauschef Guido Rahn (CDU). Für all das erhält er bloß 95 Euro Aufwandsentschädigung im Monat. „Die meisten glauben nicht, dass ich das ehrenamtlich mache.“ Er habe Glück gehabt im Leben, müsse sich keine Sorgen machen, sagt er.
Seit 34 Jahren sitzt Stein als ehrenamtlicher Stadtrat im Magistrat, der Stadtregierung. Rahn ist „sein“ sechster Bürgermeister. Während die Ehrenamtlichen in SPD-Zeiten nur in den Magistratssitzungen Entscheidungen fällen mussten, änderte sich das 2011. Die Ehrenamtlichen erhielten nun feste Dezernate.
„Wir hatten den Wählern ja versprochen, dass wir die zwei hauptamtlichen Stadträte einsparen wollten“, erinnert Stein. Dass er vielleicht drei Stunden pro Woche ran müsse, wurde er gelockt. Es wurde zu einem 30-Stunden-Vollzeitjob.
Das Kommunale Immobilienmanagement baut Stein auf, kümmert sich um diverse Immobilienprojekte gleichzeitig. Mit Volksbank, Rewe und dem Wohn- und Geschäftshaus Bellevue füllt er das unfertige Baugebiet im Stadtzentrum. Er fädelt den Bahnhofsverkauf und dessen Sanierung ein. Holt Tegut als Nahversorger nach Okarben. Stein baut die Gewerbegebiete in Klein-Karben und Okarben aus. Treibt Sanierungen wie die der Sporthalle Petterweil voran, den Bau von Kindergärten, Großprojekte wie die Bebauung des KSG-Sportplatzes in Groß-Karben. „Das waren unendlich viele Verhandlungen mit 18 Investoren.“ Selbst das baufällige Degenfeldsche Schloss in Groß-Karben rettet er: Investoren aus dem Stadtteil bringen es in Schuss.
Die städtische Wohnungsbaugesellschaft führte der Stadtrat in die Gewinnzone. Dass er Tafelsilber dafür verkaufe, kreidet ihm die Opposition an. „Wir wollen Karben ohne Schulden weiterentwickeln“, sagt Stein. Teuer zu unterhaltende Altlasten stößt er ab, verhandelt hart um Zukäufe – und holt für die Stadt lohnenswerte Deals heraus. Angriffe träfen ihn schon, räumt Stein ein. Etwa wenn die SPD moniert, dass das Stadtzentrum ohne Konzept entwickelt werde. Dabei habe gerade die Regierung Rahn 2011 ein Stadtentwicklungskonzept mit den Bürgern entwickelt, nachdem 40 Jahre lang ohne Konzept gearbeitet worden sei. Politik ist Steins Leidenschaft. „Ich schaue immer nach dem Wohl der Stadt.“
Noch jemand dürfte dabei helfen: Mit Gattin Margaret (77) ist er seit 50 Jahren glücklich verheiratet, Jeden Mittag um zwölf steht das Essen daheim bereit. Dass Stein pünktlichst das Büro verlässt, weiß jeder im Rathaus.
Warnschuss zur Rente
Erfolgreich war er 50 Jahre im Vertrieb beim Karbener Büromöbelhersteller König+Neurath tätig. Bis in den Vorstand hatte er sich hochgearbeitet, ehe er vor zehn Jahren in den Ruhestand ging. Bis heute sitzt er im Aufsichtsrat, ist die rechte Hand von Firmen- und Familienpatriarch Egon König (82).
Kaum war er in Rente gegangen: Herzinfarkt. „Ein Warnschuss, dass ich mehr auf mich achten soll“, findet Stein. Nun liest er in der wenigen Freizeit ein bisschen, genießt den Garten, geht mit Zwergschnauzerdame Sina spazieren. Kurzreisen führen die Steins in die Berge oder zu Tochter Pia, die in Berlin wohnt.
„Es laufen ein paar Projekte, die ich angestoßen habe“, sagt Otmar Stein, „die würde ich gern weiter begleiten.“ Der Erste Stadtrat meint besonders, das Stadtzentrum fertig zu bebauen. (den)