Bad Vilbel. Er trägt mit dem Justaucorps – einem körpernah geschnittenen Rock – die Hauptoberbekleidung eines respektablen Mannes des späten 17. und frühen 18. Jahrhunderts. Als Schultheiß Bermann ist Stadtführer Eckhardt Riescher natürlich auch mit Kniebundhosen, weißen Strümpfen und schwarzen Schnallenschuhen ausstaffiert. Der Dreispitz auf dem Kopf fehlt ebenfalls nicht. Bis zum 2. Oktober, wenn Riescher zum ersten Mal in seiner neuen Rolle aus der Zeit des Rokoko eine Gruppe durch Bad Vilbel begleitet, werde auch garantiert die noch fehlende graue Perücke fertig sein, versichert Christine Rademacher, die als Leiterin der Kostümschneiderei der Burgfestspiele auch für die Ausstattung bei den historischen Stadtführungen zuständig ist.
Alt-Vilbel gehörte früher teils zum Erzbistum Mainz und teils zur Grafschaft Hanau. Ein Schultheiß war der vom Bistum bestellte Aufseher über die Stadt, seine Funktion entsprach der des von der Hanauer Herrschaft eingesetzten Zehntgrafen. Beide vertraten die Interessen ihrer Herren und kontrollierten als eine Art Aufsichtsrat die Amtsgeschäfte der Bürgermeister, erläuterte Riescher bei der Vorstellung des Schultheiß-Kostüms.
Als Gründervater der Vilbeler Bermann-Familie gilt Mattheus Bermann, der 1685 in Tirol geboren wurde, Anfang des 18. Jahrhunderts in Richtung Norden auswanderte und sich an der Nidda in „Vilwel“ niederließ. Er war Maurer und damit wohl auch Besitzer von Steinbrüchen. Es sei gut möglich, dass er für diese Aufgabe angeworben wurde, schließt Eckhardt Riescher nicht aus. Bermann und seine Nachfahren haben in der Frankfurter Straße einige der sogenannten Hugenottenhäuser gebaut und es wohl schnell zu Wohlstand und Ansehen gebracht. Jedenfalls wurde Mattheus Bermann bereits 1726 zum Schultheiß ernannt und hatte diese Funktion bis zu seinem Tod 1750 inne. Als Nachfolger wurde das Amt dann auf einen der Söhne übertragen. Der Schultheiß erhielt vom Erzbistum Mainz ein Jahresgehalt von fünf Gulden, „was nicht gerade wenig war“, wie Riescher ausführte. Ein Bürgermeister hatte mit dreieinhalb Gulden ein geringeres Gehalt. Die Bermanns stellten als angesehene Familie mehrere Schultheißen sowie einmal auch einen Bürgermeister. Im Jahr 1874 hat sich der letzte Vertreter dieses Namens aus der Stadt abgemeldet.
Vilbel war vor dreihundert Jahren vor allem wegen seiner Steinbrüche bekannt, die sehr nah bei der damals rund 400 Einwohner umfassenden Siedlung lagen. So stehen die Häuser in der heutigen Lohgasse auf abgegrabenen Steinbrüchen. Überliefert ist zudem, dass bereits in der Antike die Römer auf dem heutigen Stadtgebiet Steine abbauen ließen.
Die von den Bermanns erbauten Häuser waren nicht nur größer als die Fachwerkhäuser der ärmeren Familien, sondern eben auch aus festem Stein und sie hatten statt einer Giebelseite eine Längsseite zur Straße hin, was für Passanten die Bedeutung der Bewohner gleich auf den ersten Blick offenkundig werden ließ. In der heutigen Nidda-Passage ist ein Sandstein mit den Initialen FB zu sehen, was auf den Maurer Franziskus Bermann hinweise, wie Stadtführer Riescher anmerkte. Der Stein war früher als Schlussstein über dem Hauseingang angebracht, heute ist er nur als Zier rund 20 Zentimeter über der Bodenleiste in der Passage wieder verwendet worden.
Die erste Stadtführung mit Schultheiß Bermann ist für Samstag, 2. Oktober, angekündigt. Um 15 Uhr erwartet der noble Herr im Justaucorps und dem Dreispitz die Teilnehmer vor dem Brunnen- und Bädermuseum am Marktplatz. Der Rundgang führt dann ein Stück die Frankfurter Straße entlang zu den von den Bermanns ursprünglich erbauten Häusern über den „Felsenkeller“ zu den ehemaligen Weingärten und heutigen Streuobstwiesen sowie dem einzigen noch sichtbaren Steinbruch. Die Teilnahme an der rund 90-minütigen Führung kostet 3 Euro, ermäßigt 2 Euro, Kinder unter zehn Jahren dürfen kostenfrei dabei sein.