Ein Behindertenbeauftragter steht wohl jeder Stadt gut zu Gesicht. Kein Wunder, dass das Stadtparlament die Einsetzung des SPD-Mannes Hajo Prassel in dieses neue Amt einstimmig beschlossen hat. Sein Ansatz geht weit über die üblichen Zugeständnisse an Menschen mit Behinderungen hinaus und er will ein Umdenken bewirken.
Bad Vilbel. Eines findet Hajo Prassel klasse: „Dass nun mit Sascha Nuhn der erste gehörlose Politiker im Bad Vilbeler Stadtparlament sitzt, wird einiges bewirken“, ist er sich sicher. Denn damit setze Verständnis für die Belange von Menschen mit Behinderungen ein. Genau das will Prassel, der inzwischen sein neues Büro als Behindertenbeauftragter im Dortelweiler Rathaus bezogen hat, erreichen.
„Druck ist vielleicht der falsche Begriff, ich will Bewusstsein schaffen“, sagt er selbstbewusst. Denn Schubladendenken ist für ihn fehl am Platz. Er nennt ein Beispiel: Im Rathaus gibt es einen Automaten, an dem man seine Mitarbeiterkarte mit Geld für die Kantine aufladen kann. Prassel regte an, den Automaten so anzubringen, dass auch Rollstuhlfahrer bequem herankommen. „Aber wir haben doch gar keinen Rollstuhlfahrer hier“, hieß es dazu. Unwichtig, denn mit dem tieferhängenden Automaten ist er für alle Menschen erreichbar, egal, ob nötig oder nicht. Und schließlich gibt es ja nun mit ihm auch einen Rolli-Fahrer im Rathaus.
Eine Lebensaufgabe
„Es geht um den Begriff der Inklusion“, sagt Prassel. Und die bedeute, dass alle Menschen am täglichen Leben teilhaben können sollen. Das betreffe nicht nur jene mit Behindertenausweis. „Es geht auch um Mütter mit Kinderwagen oder alte Menschen. Auch ihnen will er das Leben vereinfachen.
So etwa im neuen Bürgerbüro im Kurhaus. Dass es dort eine Rampe geben wird, ist für Prassel gar keine Frage. Doch wirkliche Barrierefreiheit bedeute mehr. „Es geht um Bodensysteme zur Orientierung, Piktogramme, Erklärungen in leichtverständlicher Sprache“. Sogar an eine Induktionsschleife denkt er. Über die können sich Hörgeräte verbinden, störende Nebengeräusche in einem belebten Raum werden herausgefiltert, ein hörgeschädigter Mensch kann so leichter kommunizieren.
Prassel sieht sich als Vermittler und Ansprechpartner. „Zehn Prozent der Menschen in Bad Vilbel sind von einer Behinderung betroffen, für sie will ich da sein“, sagt er.
Er will ihre Sorgen und Nöte weitertragen, schließlich berät er laut seiner Stellenbeschreibung sowohl das Stadtparlament als auch den Magistrat. „Es gibt kaum ein Thema, an dem ich mich nicht beteiligt sehe“, kündigt er an. Die fachliche Expertise hat er zweifelsohne. Beim Hessischen Rundfunk war er 21 Jahre als Schwerbehindertenbeauftragter zuständig, erwarb das Zertifikat eines „Disability Managers“. Schaue man sich beim Sender in Frankfurt um, sehe man, dass es auf jeder Etage Behindertentoiletten gebe, egal, ob dort Menschen mit Behinderungen arbeiten oder nicht. „Die Belange von Menschen mit Behinderungen sind zu meiner Lebensaufgabe geworden, ich bin dem HR dankbar für das, was er mir ermöglicht hat.“
„Genau das ist das Umdenken, das ich erreichen möchte“, sagt er. Diesem Schwerpunkt will sich der 59-Jährige im ersten Jahr vor allem widmen. Es geht ihm darum, dass man nicht Insellösungen suche, wenn es Probleme gebe, sondern, dass man von Anfang an die Inklusion aller Menschen als Grundvoraussetzung begreife. „Es geht nicht nur um den Herren Meier und sein spezielles Problem, sondern um alle Menschen!“
Diesen Umdenkprozess hat er auch bei der CDU-Fraktionschefin Irene Utter beobachtet. Mit ihr hat Prassel im vergangenen Jahr „viel gesprochen“. Utter stieg in die Gedankenwelt des seit 1984 nach einem Unfall auf den Rollstuhl angewiesenen Prassel ein. Sie gab schließlich auch den entscheidenden Anstoß, den Sozialdemokraten Prassel offiziell in das Portfolio der Stadt einzubinden, ihn nicht nur über die Arbeitsgemeinschaft Barrierefreiheit an manchen Prozessen teilhaben zu lassen.
Das nutzt Prassel nun. Neben dem Bürgerbüro wurde er auch schon an der neuen Dreifeldsporthalle auf dem Heilsberg aktiv. „Der Planer hat nur daran gedacht, wie sich die Halle in die Landschaft einfügt, ob die Rampe für Rollstuhlfahrer deswegen viel zu steil und auch noch schräg wird, war ihm wohl egal“, ärgert er sich. Deswegen hat er das Gespräch mit Klaus Rotter, dem technischen Leiter bei den Stadtwerken, gesucht. Effekt: Dort gibt es nicht nur eine neue und 20 Meter längere Rampe, über weitere Dinge wie einen Handlauf und die Anbindung an die Parkplätze wird noch zu sprechen sein. „Nachträgliche Kosten, die hätten vermieden werden können, wenn ich früher eingebunden gewesen wäre“, ist Prassel überzeugt. Beim Kombibad will er deswegen gleich in die Vollen gehen und seinen Beitrag zum guten Gelingen leisten.