Wenn ich mit dem Fahrrad über den Heilsberg fahre oder einkaufen gehe, kann ich es mir gar nicht vorstellen, dass hier erst seit 70 Jahren Menschen leben. Unglaublich. Diesen „Geburtstag“ feiern wir am Sonntag, 10. Juni, mit einem großen Fest, zu dem wir alle einladen.
Der blühende und lebendige Stadtteil mit Schule, Altenheim, Vereinen und Kirchengemeinden ist noch sehr jung – bis vor 71 Jahren war hier ein Truppenübungsplatz. Nach dem 2. Weltkrieg siedelten sich Flüchtlinge an. Sie lebten anfänglich in Baracken. Mit ihren eigenen Händen und gemeinsam bauten sie aus dem Heilsberger Lehm neue Häuser. Sie hatten einen deutlichen, fremd klingenden Akzent. Sie suchten Arbeit. Arbeitsfähige Menschen wurden gebraucht. Kinder lernten nach den sechs Kriegsjahren, was es bedeutet, einen ganzen Vormittag lang Zeit für gemeinsames Spielen zu haben oder mit Erwachsenen einen Ausflug zu machen, z.B. zum Lohrberg zu wandern. Das alles ist nicht Jahrhunderte her, auch wenn es so fremd klingt. Gott sei Dank habe ich nie im Krieg leben müssen, musste nie fliehen, habe ich nie gehungert oder auf dem Acker verzweifelt nach liegen gebliebenen Kartoffeln gesucht. Und dann ankommen, sich einbringen, Ablehnung und Menschenfreundlichkeit erfahren – von diesen weiten Erlebnissen habe ich als Pfarrerin des Heilsbergs immer wieder gehört. Diese Geschichten haben mich berührt, besonders wenn Menschen dann sagten: „Und nun ist hier mein Zuhause.“
„Suchet der Stadt Bestes und betet für sie zu Gott“ (Jeremia 29,7), so lautete das Motto des Gottesdienstes Pfingstmontag auf dem Niddaplatz. Die Geschichte des Heilsbergs hat mich gelehrt, dass er einen guten Weg beschreibt, nämlich: sich mit anderen zusammenzuschließen und sich absprechen, dankbar sein für alle Behütung, Arbeitsgemeinschaften („Projekt-Teams“) bilden und das Wohl des Lebensumfeldes an erste Stelle setzen. Dann erst kann das eigene Leben gelingen und froh werden. Auch heute ein wichtiger Zwischenruf.
Mit diesen Gedanken verabschiede ich mich aus Bad Vilbel. Ich danke für alle Lebensgeschichten, die mir erzählt wurden, und wünsche Ihnen, dass Sie in Bad Vilbel weiter miteinander „der Stadt Bestes“ suchen und gestalten – ich hoffe, ein wenig dazu beigetragen zu haben.
Pfarrerin Dr. Irene Dannemann, Ev. Heilig-Geist-Gemeinde Bad Vilbel – Heilsberg