Was hat er mal wieder gewettert… Er hatte es eilig mit seinem Auto und prompt wird er geblitzt. „Diese rücksichtslose Abzocke! Immer auf die Kleinen!“ Dies und Ähnliches bekam ich da zu hören. Was hat er mal wieder gewettert, ein paar Tage später, über die rücksichtslosen Raser, über die, die im Kreisel nicht blinken, über die, die bei ihm vorm Haus locker 60 fahren, obwohl es eine 30iger Zone ist… „Die gehören alle bestraft, anders lernen sie es ja nicht!“ Ja, Strafe muss sein, aber bitte-schön immer nur für die Anderen…, daran musste ich denken, als ich den Predigttext für kommenden Sonntag las. Er steht im Buch der Klagelieder, Kapitel 3, Verse 22-32. Das Klagelied über ein Knöllchen ist zugegebenermaßen ein banales Beispiel; aber verhält es sich bei den wirklich wichtigen Dingen unseres Lebens viel anders? An unserem Bücherstand auf dem Bad Vilbeler Markt war eine der häufigsten Fragen, die uns gestellt wurde: „Warum lässt Gott all das Leid zu? Warum sorgt Gott nicht dafür, dass all die Ungerechten, die Bösen bestraft werden und die anderen in Frieden leben können?“ Was nichts anders heißt, als: Bei den Anderen, da soll Gott mal endlich aufräumen, aber bei mir ist ja mehr oder weniger alles in Ordnung… Wirklich? Wenn ich allein die zehn Gebote lese und sie ernst nehme, dann merke ich, wie viel in meinem Leben nicht in Ordnung ist. Dann merke ich, dass Vieles in meinem Denken, Reden, Handeln und Nichthandeln so fern von dem ist, was dem Leben dient – meinem Leben, dem der Anderen, dem Leben der Schöpfung Gottes. Und unser Gerechtigkeitsempfinden ahnt: „Strafe muss sein…“. Und eigentlich müsste man sich die Frage stellen: „Was gibt es eigentlich für einen Grund, dass Gott es uns so gut gehen lässt? Dass er uns überhaupt am Leben lässt?“ Eine Überlegung, die einen Besucher am Bad Vilbeler Markt zu der Bemerkung führte: „Wäre denn so eine neue Sintflut, bei der dann niemand mehr überlebt, nicht viel konsequenter?“ Und genau darauf hat der Predigttext eine Antwort: „Die Güte des HERRN ist’s, dass wir noch leben, seine Barmherzigkeit hat noch kein Ende, sondern sie ist alle Morgen neu, und seine Treue ist groß.“ Es ist die Liebe des Schöpfers zu dem, was er geschaffen hat, die Liebe des Vaters zu seinen Kindern, die seine Menschheit nicht einfach ausrottet. Er gibt seinen Menschen die Chance, ihn als den gütigen, treuen Gott zu erkennen. Als den einen Gott, der die Strafe des Todes, der ewigen Gottlosigkeit, in Jesus auf sich genommen hat, damit sie für immer leben können. Jeden Morgen neu wartet diese Güte Gottes auf Sie. Diese Güte will Sie – immer wieder neu – zu ihm führen.
Jörg Weise, Pastor
Landeskirchliche Gemeinschaft