Putz-Aktion zum Gedenken an die jüdischen Bad Vilbeler Pogromopfer
Bad Vilbel. Am 9. November 1938 geschah in Deutschland Schreckliches. Und auch in Bad Vilbel hat der Mob getobt. Juden wurden in der Stadt aus ihren Häusern geholt, eingesperrt und getötet. Ein Laurena Röglin und Matthias KallmeyerEreignis, das nicht vergessen werden darf, findet die Vilbelerin Regina Spohn-Steffan und rief deshalb über Facebook dazu auf, die Stolpersteine am 9. November symbolisch zu putzen.
Zu sechst macht sich die kleine Gruppe am Samstagmorgen auf den Weg durch Bad Vilbel. 25 sogenannte Gedenk-Stolpersteine gibt es in der Kernstadt. »Die Steine haben einen Putz aber auch wirklich nötig«, meint einer der Teilnehmer, während er mit aller Kraft einen der metallenen Steine bearbeitet. Die dunkle Schmutzschicht löst sich nur schwer, doch mehr und mehr ist der Name wieder zu erkennen. »Das war doch schonmal wichtig«, findet Regina Spohn-Steffan.
Mehr Rückmeldungen
Die Idee für eine solche Aktion hatte sie schon länger, berichtet sie, sie wolle sich dabei ein Beispiel an einem Bekannten nehmen: »Ein Freund von mir macht das regelmäßig in Eschersheim und Preungesheim. Ich hatte vergangenes Jahr schon mal dazu aufgerufen, da hat sich aber niemand gemeldet. Dieses Jahr gab es mehr Rückmeldungen«, erläutert sie. Zwei Mitglieder der »Omas gegen Rechts« sind mit dabei, eine Gruppe, in der auch Spohn-Steffan sich engagiert. »Nach der Rente wollte ich unbedingt etwas gegen rechte Hetze unternehmen und finde, diese Gruppe macht das auf eine tolle Art und Weise.«
Schon in Kindertagen wurde Spohn-Steffan durch ihre Familie zum Thema Nationalsozialismus sensibilisiert: »Ich habe früher immer bei meinen Großeltern am Tisch gesessen, wenn die älteren Herrschaften vom Krieg und den Nazis erzählt haben, und da habe ich viel mitbekommen.« Ihr Großvater habe im Krieg viel erlebt und üble Dinge gesehen. »Ich muss sagen, dass Ungerechtigkeiten mich schon immer wahnsinnig gemacht haben, auch als Kind schon. Deshalb ist es mir wahrscheinlich so wichtig, an diese Menschen zu erinnern, die Opfer der Nazis waren.«
Die Gruppe bewegt sich derweil weiter in Richtung Innenstadt. Der nächste Stopp ist vor einem Dönerladen in der Frankfurter Straße. Auch Vered Zur-Panzer gehört zu der Gruppe an diesem Samstagmorgen. Sie ist die Vorsitzende des Vereins Jüdische Gemeinde Bad Vilbel.
Kein Gotteshaus mehr
Denn eine wirkliche Gemeinde, geschweige denn ein Gotteshaus, gibt es in Bad Vilbel nicht mehr. »Unsere Mitglieder sind in den umliegenden Gemeinden aktiv von Frankfurt bis Bad Nauheim«, erklärt die Vorsitzende. Ihr verstorbener Vater Rafael Zur war es einst, der in Bad Vilbel die Geschichte der Juden wieder ans Tageslicht geholt und den jüdischen Friedhof wieder hergerichtet hat.
2009 wurden schließlich 25 Stolpersteine verlegt. »In Bad Vilbel war es in der Reichspogromnacht wirklich schlimm«, sagt Zur-Panzer und deutet auf einen der Stolpersteine am Boden, der nach der Bearbeitung mit Metallpolitur gut lesbar iststrahlt. Der Name Simon Wechsler ist nun wieder gut zu erkennen. »Simon Wechsler wurde an dieser Stelle der Frankfurter Straße in der Nacht vom 9. auf den 10. November auf einen Scherbenhaufen geworfen und verstarb später im Krankenhaus, weil die Ärzte ihn nur unzureichend versorgten«, weiß Zur-Panzer.
Die Stolpersteine halten diese Geschichten am Leben: »Natürlich ist es nicht schön, sich das vor Augen zu führen. Aber solche Aktionen gegen das Vergessen sind wichtig.« Dass rechte und antisemitische Gewalt neue Höhen erreicht hätten, beweise die Tat in der Synagoge von Halle vor ein paar Wochen.
Die Vilbeler Synagoge wurde in der Reichspogromnacht geschändet: »Viele Menschen wissen nicht, dass ein Gebäude, das sie jeden Tag sehen, die Vilbeler Synagoge war.« Neben der Stadtschule, hinter der Frankfurter Straße 95. Eine Gedenktafel gibt es nicht. »Der Erste Stadtrat Sebastian Wysocki hat mir zugesichert, das zu berücksichtigen, wenn das Pflaster der Straße an dieser Stelle erneuert wird«, sagt Zur-Panzer.