Unter Karbens Erde schlummern Geheimnisse: Orte mit römischer Vorgeschichte. Die alljährliche Radtour des Kreisarchäologen sorgte für großes Erstaunen.
Karben. Gespannt beobachten die rund 25 Radfahrer den Acker im Nordosten von Rendel in der Hoffnung, etwas zu entdecken. „Hier stand vor etwas weniger als 2000 Jahren einmal eine große Villa Rustica“, erklärt Kreisarchäologe Dr. Jörg Lindenthal und hebt eine laminierte Karte nach oben. Deutlich zu sehen sind auf ihr viereckige Linien: „Die alten Grundmauern des großen römischen Gutshofs.“
Bereits zum 15. Mal findet unter dem Motto „In einem gesunden Körper wohnt ein gesunder Geist“ die Radtour des Kreisarchäologen statt. Rund 20 Kilometer zieht sich die Strecke über Groß-Karben, Rendel, Burg-Gräfenrode und Okarben. Denn überall sind Überbleibsel aus der Vergangenheit zu finden.
Von oben sind sie, wenn überhaupt, oft nur zu erahnen. „Durch die intensive landwirtschaftliche Nutzung und die Witterung sind die Grabhügel natürlich längst abgetragen“, erklärt Lindenthal bei der nächsten Station im Karbener Wald. Eigentlich ist an dieser Stelle nichts außer einem gewöhnlichen Wald zu sehen, doch der Experte weiß, hier stand einmal ein Grabhügel.
Aus der Luft
Aus welchen Jahren er stammt, das kann der Archäologe nicht sagen, er schätzt auf die Epochen zwischen Jungsteinzeit und Eisenzeit. „Um das genau sagen zu können, müssten wir ihn aufgraben. Dass wir trotzdem so viel wissen, verdanken wir der Luftbildarchäologie“, erklärt Lindenthal. Dabei werden durch Kameraaufnahmen aus großer Höhe besondere Strukturen im Boden erkannt. „Durch die Technik können wir selbst mitten im Wald zuverlässig Bodendenkmäler finden.“ An anderen Orten kommen die Funde jedoch einfacher zutage: mitten in Okarben zum Beispiel. Dort stand in der Römerzeit ein großes Kastell, mehr als doppelt so groß wie die Saalburg. Europaweit, so betont der Archäologe, sei das Kastell für Forscher von Bedeutung. „Bei Bauarbeiten kommt häufig etwas zutage“, sagt Lindenthal. „So fanden wir im Bornweg 6 einen alten Teller und Überreste einer Wandmalerei. Und zwar eine ganz besondere, denn sie stellt einen Jongleur dar. Eine solche Darstellung kannten wir bislang noch nicht.“
Das alte Kastell in Okarben brachte dabei noch mehr Geheimnisse zum Vorschein. „Durch alte Teller wissen wir, wer hier einquartiert war“, erklärt Lindenthal. „Die Soldaten schrieben oft ihren Namen auf ihre Teller. So wissen wir von „Amundos“ und „Cato“, die hier lebten. Interessant ist an dem Fund auch, dass sie ihre Funktion auf den Teller schrieben: So waren beide Teil einer Reitereinheit.
Allerdings sorgte der Fund bei den Archäologen für ein Rätsel: „Der Teller entstand zu einer Zeit, von der wir annahmen, dass das Lager bereits verlassen wurde. Blieb also doch eine Garnison noch hier?“, fragt sich der Archäologe.
Karben ist uraltes Siedlungsgebiet: Seit über 7000 Jahren sind die Menschen hier sesshaft, betreiben Ackerbau und Viehzucht. Doch durch den heutigen Bauboom haben die Archäologen viel zu tun: Überall gibt es Spuren der Vergangenheit, die vor den Baggern in Sicherheit gebracht werden müssen.
„Wir waren zum Beispiel beim Bau der Nordumgehung vor Ort und konnten einiges an Funden sichern“, sagt Lindenthal. Bereits in den 80er-Jahren wurde auf der heutigen Kreuzung Nordumgehung/B3 ein Gräberfeld aus der Frankenzeit gefunden.
Rahn fährt E-Bike
„Wir konnten noch mehr Gräber finden, insgesamt sind es nun 66 Stück“, erklärt der Experte. „Das Interessante ist, dass einige ausgeraubt wurden, während andere noch sehr gut erhalten waren. Wir konnten außerdem einige gut erhaltene Stücke sichern, unter anderem Ringe und Fibeln.“
„Klasse, dass man immer noch mehr dazulernen kann“, sagt Bürgermeister Guido Rahn (CDU), der die Radtour mit dem E-Bike begleitete. „Ich wusste, dass es bei uns in Burg-Gräfenrode Hügelgräber gibt, aber das Grab im Wald kannte ich noch nicht. All diese Leute kamen in die Wetterau. Schon in der Jungsteinzeit wussten sie, dass es sich in Karben gut leben lässt.“