Als „Epilog zu Pfarrer Neumeiers ,Wort zum Sonntag’“ im Bad Vilbeler Anzeiger vom 17. April („Erwachsene Konfirmanden“) erreiche uns nachfolgender Leserbrief
Bei einem Gemeindefest erzählte ein in die Jahre gekommener Ehemann, dass er jahrelang von der köstlichen Linsensuppe seiner Kindheit geschwärmt habe: „Bei Mutti hat das besser geschmeckt“. Seine Frau versuchte sich nicht einmal daran, denn mit Mutti konnte sie nicht konkurrieren. Bis sie mal zur Schwiegermutti fuhren und sie baten, doch mal Linsensuppe zu kochen für ihren lieben Sohn.
Der liebe Sohn gestand auf der Heimfahrt: „Komisch, die Linsensuppe war gar nicht so lecker wie in meiner Erinnerung. Sie hat mir überhaupt nicht geschmeckt“. Und er kam zum Schluss, dass Kindheits- und Jugenderinnerungen verklärend wirken und die Dinge beschönigen.
Heute Nacht gab es in Gronau einen Umzug der Konfirmanden. „Tradition“ sagen viele und schmunzelnd wird die eine oder andere Geschichte von „damals, als wir Konfirmanden waren“ weitererzählt. Also, wenn es Tradition ist, wieso gibt es da welche, die sich darüber aufregen?
Es ist doch nichts dabei, oder? Ein bisschen Randale, Stimmung, wir waren auch mal jung!!
Ich frage Sie, wieso ist da nichts dabei….,
• wenn Erwachsene Kindern (14-Jährige sind Kinder!) nach dem unseligen Motto „Jetzt bist du konfirmiert, jetzt darfst du!“ zumuten, einen Alkoholmix zu sich zu nehmen, den jeder Erwachsene ablehnen würde, da ihm die Folgen bekannt sind;
• wenn Erwachsene Konfirmanden darin unterstützen, indem sie einen Bollerwagen zur Verfügung stellen, damit der „Proviant“ vergrößert werden kann;
• wenn Erwachsene Kindern einen Bierkasten dazu stellen;
• wenn anderen, älteren Jugendlichen, dieser Umzug ganz gelegen kommt, um sich dranzuhängen, zu noch mehr Unfug anzustiften und die Sau raus zu lassen? Alles geschehen vor einigen Jahren.
Liebe Erwachsene, haben Sie sich nicht gefragt, ob die Erinnerungen an Ihren Umzug nach Ihrer Konfirmation nicht nur eine Verklärung sind, und dass es gar nicht so toll war? Sie waren jung, sehr jung, wie nachher nie mehr wieder, und das ist alles.
Die Folgen solcher „Tradition“ heutzutage, wo die Hemmschwelle viel mehr heruntergeschraubt ist als vor etlichen Jahrzehnten: Ruhestörung, zertrümmerte Bierflaschen im Schulhof, eingeschlagenes Schaufenster der Kirchengemeinde – und aufgebrachte Anrufe im Pfarramt Gornau! Und ein enttäuschter Pfarrer, der sich viel Mühe gegeben hat, dass Konfirmation ein spirituelles Fest wird und nun feststellen muss, dass es für einige seiner Schäfchen im Spiritus abgesoffen ist. Mit Kolateralschäden!
Christa Heinrich,
Bad Vilbel