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Sperber-Eule vor dem Tod gerettet – Sensationeller Fund in Dortelweil löste bei Ornithologen in ganz Deutschland helle Aufregung aus

Bad Vilbel. Eulen (Strigiformes), von denen fast alle Arten nachtaktiv sind, sitzen nicht tagsüber, schutzlos im Freien auf dem Boden. Die mittelgroße Eule flüchtete auch beim Näherkommen nicht. Völlig apathisch blieb sie auf dem Rasen sitzen. Die Tierfreundin packte ihren abgemagerten Fund in eine Schubkarre und brachte den Vogel in den alten Ortskern zu Günther Armbrust vom Verein für Vogelschutz und Landschaftspflege (VVL). Beim versierten Vogelfreund Armbrust werden immer wieder verletzte Vögel zum Gesundpflegen abgegeben. „Einen Tag später wäre sie nicht mehr zu retten gewesen“, sagt der Vogelexperte.

Was die Finderin zum Zeitpunkt der Abgabe noch nicht wusste war, dass sie keine heimische Wald- oder Schleiereule, sondern eine Sperbereule (Surnia ulula) gefunden hatte. Ihr sensationeller Fund löste bei Ornithologen in ganz Deutschland helle Aufregung aus. Sperbereulen leben in den borealen (Taiga) Nadelwäldern Eurasiens und Nordamerikas. Ihre nördliche Verbreitungsgrenze in der Holarktis reicht vom nördlichen Norwegen und Schweden bis nach Kamtschatka und Sachalin sowie Alaska und Kanada. Sie entspricht weitgehend der Baumgrenze.

Da es sich bei den 140 Eulenarten um Greifvögel handelt, meldete Günther Armbrust den Fund ordnungsgemäß beim Regierungspräsidium in Darmstadt. Der Vorstand des VVL Bad Vilbel wollte mit der Bekanntgabe warten bis die Sperbereule wieder gesund war. Ein Mitarbeiter der hessischen Vogelschutzwarte in Frankfurt-Fechenheim konnte die Neuigkeit jedoch nicht für sich behalten.

Nach dem Vorbild eines Spatzen, der alle Neuigkeiten von den Dächern pfeift, verbreitete er den sensationellen Fund via Internet unter den deutschen Ornithologen. Derweil kümmerte sich Günther Armbrust um seinen Patienten. „Ich musste sie drei Tage lang mit der Hand füttern. Sie war so erschöpft, dass ich ihr das Fressen in den Rachen stecken musste.“ Mit Küken und Taubenbrut päppelte der Vogelfreund sein wildes Pflegetier vier Wochen lang wieder auf.

Die Eule fraß ab dem vierten Tag wieder alles, was ihr Armbrust auf der Hand reichte. Nach einer Woche verfärbte sich das linke Auge der Sperbereule knallrot. „Sie hatte einen großen Bluterguss im linken Auge, der platzte.“ Die Vilbeler Vogelfreunde nehmen an, dass die Sperbereule sich ihre Verletzungen beim Aufprall gegen eine verglaste Front eines der Bürogebäude in Dortelweil-West geholt hatte. Dafür spricht der Fundort.

Sperbereulen gehören zwar wie Sumpfohr- und Schnee-Eulen zu den tagaktiven Eulenarten, ziehen aber nachts von einem Gebiet in ein anderes. „Sperbereulen sind bei uns in Zeiträumen von 15 bis 20 Jahren anzutreffen. In Deutschland wurde bisher nur eine einzige in Brandenburg gesichtet. In Hessen wurde noch nie eine Sperbereule gesichtet oder registriert“, berichtet VVL-Vorsitzender Gilbert.

„Die zwischen 36 bis 41 Zentimeter große Sperbereule ist eine interessante Eulenart mit einem recht langen, keilförmig auslaufenden Schwanz. Ihren Namen hat sie aufgrund ihrer Ähnlichkeit im Seitenbild, Flugbild und Gefieder mit dem Sperber (Accipiter nisus) erhalten.“ Ihr Kopf ist abgeflacht. Sie hat einen hellen Gesichtsschleier, der braunschwarz umrahmt ist. Die Iris der Augen ist gelb, der Schnabel hellgelb gefärbt.

Die Sperbereule hat einen schnellen und wendigen Jagdflug, erreicht ihre maximale Fluggeschwindigkeit sehr schnell nach dem Start. Sie jagt am Tage und in der Dämmerung vor allem Kleinvögel und Wühlmäuse. Mit ihren messerschscharfen Krallen kann sie selbst Schneehühner und junge Hasen erlegen.

Bricht das Beuteangebot zusammen, kann es zur Auswanderung ganzer Eulen-Populationen aus einer Region kommen, berichten die beiden Vilbeler Vogelschützer. „Die Sperbereule wird aufgrund dieses Wanderverhaltens zu den vagilen oder nomadischen Vogelarten gezählt.“

In der letzten Woche wurde die wieder zu Kräften gekommene Sperbereule in ihrer Dortelweiler Volière immer unruhiger.

Mit einem Ring aus der Frankfurter Vogelschutzwarte versehen, wurde die Sperbereule am vergangenen Sonntag auf der Streuobstwiese im Schelmeneck in die Freiheit entlassen. Mit dabei waren rund 100 Ornithologen aus ganz Deutschland.

Weitere Informationen und Fotos gibt es auf der Homepage des Vereins für Vogelschutz und Landschaftspflege Bad Vilbel e.V.: www.vvl-badvilbel.de