Die evangelischen Gemeinden Karbens sollen künftig stärker zusammenarbeiten. Nur das „Wie“ bereitet Kopfzerbrechen. Vier eingerichtete Arbeitsgruppen haben viel zu tun – denn grundlegende Fragen sind noch offen.
Karben. Die Kirche im Dorf lassen“: In Karben bekommt dieses Sprichwort in den kommenden Jahren eine ganz besondere Bedeutung. Denn statt aktuell viereinhalb Pfarrstellen soll Karben mit seinen sieben Stadtteilen künftig von dreieinhalb bis vier Pfarrstellen betreut werden. Bis Ende 2019 soll ein Konzept vorliegen, wie die Zusammenarbeit, die bislang an vielen Stellen auf freiwilliger Basis bereits gelebt wird, verpflichtend geschehen kann.
Zum dritten Mal hatte sich kürzlich am Dienstagabend dafür eine von insgesamt vier eigens eingerichteten Arbeitsgruppen getroffen. „Wir stehen ganz am Anfang eines keimenden Prozesses“, sagte Ines Poggenpohl, die Petterweil in der Gruppe vertritt. Im März hatte sie als Vorsitzende des dortigen Kirchenvorstands zwei ehrenamtliche Mitstreiter der Arbeitsgruppe in „ihrer“ Gemeinde begrüßt. „Genau darum geht es uns: Meinungen zu sammeln, Schnittmengen zu bilden, die einzelnen Profile der Gemeinden zu schärfen.“
Als „Filialen“ bestehen?
Denn so klar das Ziel der verpflichtenden Zusammenarbeit ist, so unklar ist aktuell noch die Frage nach der konkreten Ausgestaltung. Das Zusammenrücken könne einerseits eine klassische Fusion sein, sprich alle Teilgemeinden werden eine Gemeinde, oder der Weg einer so genannten Gesamtkirche: Dabei würden die Gemeinden quasi als „Filialen“ bestehen bleiben, erklärt der Klein-Karbener Pfarrer Werner Giesler, der Teil der Kirchenvorstands-Arbeitsgruppe ist.
Das würde ähnlich aussehen, wie es in Okarben und Burg-Gräfenrode bereits gelebt wird: Beide Stadtteile haben etwa einen eigenen Kirchenvorstand, jedoch eine gemeinsame Pfarrdienstordnung. Auch in Klein-Karben und Rendel feiere man bereits zwei Gottesdienste im Monat gemeinsam, erklärte Giesler.
Die Herausforderung ist nun, auf dem Weg die einzelnen Interessen von Pfarrern, Kirchenvorständen und Gemeinden unter einen Hut zu bringen. „Das ist nicht immer einfach, denn die Interessen sind nicht an allen Stellen deckungsgleich“, sagte Ina Lauster-Ulrich, die in der Arbeitsgruppe Burg-Gräfenrode vertritt. „Bei der Zusammenarbeit gilt es, ein Spagat zu schaffen: Einerseits wollen und müssen wir alle unsere Identität wahren. Andererseits muss die Arbeit, die dafür anfällt, in Summe auch zu schaffen sein. Gerade im Verwaltungsbereich sehen wir durchaus Potenzial, dass eine stärkere Kooperation dabei helfen kann.“
Ihr Okarbener Kollege Thomas Föller stimmte zu, dass gerade Roggau und Okarben aufgrund der gesammelten – nicht nur positiven Erfahrungen – Vorbild sein könnten. „Das Wichtigste ist, dass wir die Zusammenarbeit sensibel diskutieren und alle Bedürfnisse vor Ort aufnehmen.“
Es ist ein Punkt, den Pfarrer Giesler unterstreicht. „Die Kirche muss als Orientierung im Stadtteil bleiben“, meinte er. Die Vorstellung, vor Ort „keine Kirche“ mehr zu haben – im schlimmsten Fall gar ohne das Symbol des eigenen Kirchturms – sei nicht machbar. Vielmehr sieht er die weitere Kooperation als Fortsetzung dessen, was er bereits als „kleine Annäherung“ beschreibt: Schon seit zehn Jahren arbeiteten die sechs evangelischen Gemeinden an vielen Stellen freiwillig zusammen. Zuletzt wurde das etwa im Reformationsjahr deutlich, beobachtete Giesler. Mit seinem Abschied in den Ruhestand – seine Dienstzeit endet 2021 – wurde die Frage nach der Pfarrstellenkürzung angestoßen.
Im Zuge der „großen Annäherung“ müssen bis dahin allerhand Punkte geklärt werden: Gottesdienste, Seelsorge-Bezirke, Finanzen und Verwaltung. „Hierfür wurden insgesamt vier Arbeitsgruppen gegründet, die nun die weiteren Schritte diskutieren sollen“, erklärte der Groß-Karbener Pfarrer Christian Krüger. In seiner Gemeinde – gemeinsam mit Klein-Karben und jeweils rund 1800 Mitgliedern die größte – wurde die Nachricht durchaus ambivalent aufgenommen. „Natürlich nehmen wir einerseits Ängste wahr, wie die Zukunft aussehen wird, andererseits aber auch die Einsicht, dass der Schritt nötig wird“, beobachtete er seit dem Verkünden der Pläne in der jüngsten Gemeindeversammlung.
Wie im „Gemeindesinn“
Wie sehr Gemeinden bislang eingebunden sind, ist von Stadtteil zu Stadtteil unterschiedlich. Im nächsten Gemeindebrief soll ein Artikel erscheinen, der alle Gemeindemitglieder einbinden soll. Die Publikation selbst ist Sinnbild für Zusammenarbeit: Seit Jahren erscheint der „Gemeindesinn“ für alle Karbener, mit einem Schaufenster für die eigene Gemeinde.