Karben. Pandemiebedingt konnte der Karbener Partnerschaftsverein zwei Jahre lang keinen Besuch aus Frankreich empfangen. Am Donnerstag (Himmelfahrt) nun treffen erstmals wieder Gäste aus Saint-Égrève ein und bleiben bis Sonntag. Anlass, um mit Muriel Menzel von dem Partnerschaftsverein über die Deutschen, die Franzosen und ihre Mentalität zu plaudern
Was sie an Frankreich vermisst? Muriel Menzel überlegt. »Einfach mal über einen Markt zu schlendern. Wenn ich nach Frankreich fahre, ist das der erste Punkt, wohin ich gehen will«, sagt die 56-Jährige. Bald kommt Besuch aus Saint-Égrève nach Karben. Die Vorsitzende des Partnerschaftsvereins freut sich schon darauf, sich wieder einmal das typische »Savoir-vivre« um die Nase wehen zu lassen.
Trotz vieler Ähnlichkeiten bestehen Unterschiede in der Mentalität der beiden Nationen. Das Bild des humorlosen, spießigen Deutschen hat sich in den Augen der Franzosen allerdings gewandelt, wie die Rendelerin weiß. Als typisch deutsche Qualitäten gelte nach wie vor zuverlässig, rigoros und sehr pünktlich zu sein. Typisch Französisch dagegen ist beispielsweise der Patriotismus und damit auch der Umgang mit Fremdsprachen. Der Franzose beherrscht sie zwar, spricht sie laut Menzel aber nicht so gern.
»Für einen Franzosen ist es einfacher, Spanisch zu lernen als Deutsch. Als ich in der Schule war, lernte ich zwei Jahre lang Deutsch. Wir waren in der deutschen Klasse nur zu dritt, während alle anderen Spanisch hatten«, erzählt sie. Als die deutsche Band Tokyo Hotel in Frankreich populär wurde, sei die deutsche Sprache dann etwas angesagter gewesen.
Im Urlaub gehe der Franzose gern ans Meer oder in Länder, in denen die Menschen Französisch sprechen. »Es war früher die Weltsprache, in der man sich unterhielt. Die Franzosen sind stolz darauf.« Anglizismen, die Deutsche schon mal ins Gespräch einflechten, verwende der Franzose nicht.
Von Paris nach Rendel, Es war ein Kulturschock
Nach »la belle France« reisen die Menzels regelmäßig. »Früher haben wir wirklich Urlaub da gemacht, für die Kinder, damit sie die Mentalität einatmen.« Ihren Nachwuchs haben sie und ihr Mann Erhard zweisprachig erzogen. »Das war für uns keine Frage. Es war das Beste, was ihnen passieren konnte«, ist sie überzeugt.
Dass die Rendelerin wegen ihres Akzents sofort als Französin erkannt wird, macht ihr nichts aus. »Es gehört zu meiner Persönlichkeit. Als ich herkam, sprach ich kaum Deutsch. Damals gab ich mir drei Monate, um einen Job zu finden.« Mit ihrem Mann führte sie zuvor eine Fernbeziehung, bis ihr Im- und Export-Studium abgeschlossen war. »Wenn man von Paris nach Rendel kommt, ist es ein Kulturschock«, bekennt sie. Das Paar lebt in einem Bauernhof, der seiner Familie gehörte. »Du wirst es da nie aushalten«, prophezeite ihre Familie, als sie aus Frankreich zur Hochzeit kam. Es kam anders. Seit vier Wochen hat Muriel Menzel neben der französischen auch die deutsche Staatsbürgerschaft. Dafür musste sie einen Einbürgerungstest machen. »Ich glaube, ich kenne die Rechts- und Gesellschaftsordnung jetzt besser als mancher Deutsche«, lacht sie. Zwei Jahre lang konnten die Gäste aus der französischen Partnerstadt nicht kommen, das lag an der Pandemie. Die Nachwirkungen der Krise sind noch spürbar, es haben sich nur 20 Personen angemeldet. »Früher kamen bis zu 60 Leute«, blickt Menzel zurück.
Über die Aktivitäten des Partnerschaftsvereins haben die Eheleute neue Freunde gewonnen. »Es gibt keine Kommunikationsprobleme, und sie bringen ein paar Sachen mit, die ich aus Frankreich vermisse«, erzählt sie. Salami und Plätzchen aus der Bretagne gehören dazu.
Spargel und Grie Soss
für die Gäste
Sind die Gäste da, gibt es beim Ausflug typisch deutsche Küche. »Ich glaube auch, dass die Familien etwas typisch Deutsches machen. Bei mir gibt’s am Donnerstag Spargel mit grüner Soße.« Momentan ist das auch ihr deutsches Lieblingsessen. Und ihr französisches? »Es gibt so viel Gutes«, überlegt sie – dann weiß sie es: »Ein gutes Stück Fleisch, richtig gut zubereitet.« Gern fährt Menzel nach Mainz, weil sie dort französisches Flair spürt und viele Franzosen dort leben.
Von Petra Ihm-Fahle
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