Niederdorfelden. „Nein, die Hessen sind nicht dumm, obwohl sich nach den neuesten Umfragen mehr als die Hälfte von ihnen zurzeit für eine bürgerliche Koalition in Hessen bei den Landtagswahlen am 18. Januar entschließen werden“, wiederholte die Bundesvorsitzende der Grünen, Claudia Roth, gleich mehrfach beim Besuch ihrer Grünen-Parteifreunde in Niederdorfelden und Schöneck am vergangenen Sonntag. Sie hätten nur die Argumente, weshalb sie sich bei den Landtagswahlen eigentlich für die Grünen entscheiden müssten, „noch nicht so richtig verinnerlicht“.
Roland Koch an der Spitze der hessischen CDU dürfe man schon aus Gründen seiner „rückwärtsgewandten Dinosaurierpolitik in Fragen der Energieversorgung“ nicht seine Stimme am Wahltag geben. Anders die Grünen. Sie hätten mit dem Koalitionsvertrag mit der SPD schon im vergangenen Sommer ein überzeugendes Energie- und Umweltkonzept vorgelegt, das auch heute noch, trotz der sich andeutenden Wirtschaftskrise, weiterhin Bestand habe. Die Grünen-Bundesvorsitzende Roth spielte damit auf den nach diesem Konzept angedachten Ausbau regenerativer Energieformen wie der Windenergie in Hessen an. Die geplanten Windräder in Niederdorfelden und Schöneck waren deshalb auch das Hauptthema des kurzen Besuchs von Claudia Roth in den beiden Gemeinden.
Mit knapp 40 Parteimitgliedern, darunter auch einigen aus dem benachbarten Bad Vilbel und Erlensee, hatte Roth die verschiedenen Standorte für Windkraftanlagen in den beiden Gemeinden aufgesucht und sich über den neuesten Stand der Planung informieren lassen. Dabei ging der Niederdorfeldener Bürgermeister Matthias Zach (Die Grünen) noch einmal ausführlich auf den Rechtsstreit ein, der mittlerweile zwischen ihm und der Gemeindevertretung in Sachen Bürgerbegehren beim Verwaltungsgericht anhängig ist.
Obwohl er grundsätzlich ein glühender Verfechter der Bürgerbeteiligung an der Kommunalpolitik sei, halte er ein Bürgerbegehren in diesem Fall aus rein juristischen Erwägungen für unzulässig. Außerdem sei die Mehrheit in Niederdorfelden sowieso für die Windenergie und deshalb müssten die drei Windräder nun endlich auch gebaut werden dürfen.
Aber auch ansonsten sei es gelegentlich die Aufgabe der Politik, „sinnvolle Ziele im Einzelfall sogar gegen den Willen der Mehrheit durchzusetzen. Da muss man dann durch, auch wenn man solch starken Gegenwind verspürt“, verkündete Zach seine Maxime. Seine Bundesvorsitzende stärkte ihm den Rücken: „Das Thema Windenergie ist viel zu emotionsgeladen. Hier muss einfach wieder viel sachlicher diskutiert und entschieden werden.“ Im Übrigen finde sie die Windräder schön und freue sich über jedes Windrad, das sie auf ihrer Fahrt durch Deutschland sehe.
Auch Schönecks Bürgermeister Ludger Stüve (SPD), der sich bei der Besichtigung des Standortes Galgenberg in Schöneck der Grünen-Gruppe angeschlossen hatte, fand die Argumente der Gegner derartiger Anlagen nicht schlüssig. „Warum kümmern sich Kommunalpolitiker plötzlich um die wirtschaftlichen Belange eines Unternehmers?“, fragte Stüve. Die Wirtschaftlichkeit eines Projektes falle ausschließlich in den Risikobereich des Investors. Stattdessen habe die Gemeinde nur dafür zu sorgen, dass das Vorhaben umweltfreundlich sei und den gesetzlichen Vorschriften entspreche. Das sei zumindest in Schöneck geschehen. Das Baurecht für drei der sieben geplanten Anlagen werde wahrscheinlich schon in den kommenden Wochen erteilt.