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Rechte und die sozialen Netzwerke

Die Aula am Büchner-Gymnasium ist bis zum letzten Platz gefüllt. Organisiert wurde die Veranstaltung von den »Omas gegen rechts« und dem »Queer Café« des Gymnasiums. Foto: Patrick Eickhoff
Die Aula am Büchner-Gymnasium ist bis zum letzten Platz gefüllt. Organisiert wurde die Veranstaltung von den »Omas gegen rechts« und dem »Queer Café« des Gymnasiums. Foto: Patrick Eickhoff

Bad Vilbel. (wpa) Wie gefährlich sind Rechte in den sozialen Netzwerken? Wie machen sich Radikale und Extremisten Tiktok und Co. zu eigen und manipulieren ganze Generationen?
Über diese und weitere Fragen hat kürzlich Sven Daniel, Leiter der Abteilung KOREX beim Landesamt für Verfassungsschutz Hessen, einen Vortrag am Georg-Büchner-Gymnasium in Bad Vilbel gehalten. In der voll besetzten Aula lauschte der Jahrgang der zehnten Klassen gespannt seinen Worten.
Organisiert wurde die Veranstaltung von den »Omas gegen rechts« in Verbindung mit dem »Queer Café« des Gymnasiums. Sven Daniel gab den Schülern einen Überblick, wie einfach Rechsextreme über die sozialen Netzwerke ein Millionenpublikum erreichen. »Sie haben sich ein echtes Online-Biotop aufgebaut.« Das beginne mit Videos, in denen erklärt werde, dass man in der Schule nichts lerne. »Früher hat man sich über die ›Tagesschau‹ gebildet, heute versuchen sie, zu suggerieren, dass die Bildung nicht in der Schule stattfindet.«
Die Radikalisierung gehe immer schneller. Er und seine Kollegen hätten schon einen Einsatz in einer dritten Klasse gehabt. »Wir werden nicht als Menschenfeind oder Extremist geboren.« Wichtig sei dennoch, zu wissen, dass Bildung und soziale Privilegiertheit nicht vor Extremismus schütze. Daniel zählte Reichsbürgerbewegungen auf, in denen sich auch Ärzte, ehemalige Bundestagsabgeordnete und Anwälte und Richter radikalisiert hätten.
Angriff
auf allen Ebenen

»Der Extremist handelt immer aus Überzeugung.« Anschließend zog der Abteilungsleiter einen drastischen Vergleich. »Was heute Tiktok ist, war damals der Volksempfänger. Hitler und Goebbels haben ebenfalls einen modernen Wahlkampf geführt. Was ihr als Memes kennt, waren damals abgedruckte Bilder.« Besonders gefährlich sei, dass man dieselben Themen immer wieder zu hören bekomme. »Wenn ich jeden Tag dieselben Dinge höre, dann wird es irgendwann zur Normalität.« Sven Daniel kam danach auf Akteure der Neuen Rechten zu sprechen Götz Kubitschek und Martin Sellner. Letzterer sei nach Björn Höcke der wohl »bekannteste Rechtsextremist Deutschlands, obwohl er Österreicher ist«.
Die Rechten versuchten, auf viele verschiedene Art und Weise an die Jugendlichen heranzukommen. Sven Daniel spielte Songs vor, zeigte Videospiele, in denen die Gegner Karl Lauterbach oder der Staat seien. Immer wieder werde dabei das Gefühl vermittelt: »Die Rechten sind die Guten, die anderen die Bösen.«
Das Problem? »Es gibt bisher zu wenig Regulierung.« Man müsse sich bewusst machen, dass Rechte versuchen würden, die Demokratie auf allen Ebenen anzugreifen. »Es wird ein Bild von fressen oder gefressen werden erzeugt. Das wird auf allen Kanälen von Twitter über Tiktok bis Whats-App verbreitet.« Dabei würden Rechte auch immer wieder versuchen »humorvoll« zu sein. »Das ist der schnellste Weg.«
Haltung zeigen und
in den Dialog gehen

»Wie geht man damit um?«, wollte anschließend ein Schüler wissen. Sven Daniel ermutigte, Haltung zu zeigen, aber dennoch in den Dialog zu gehen. »Nur mit dem erhobenen Zeigefinger reden, bringt nichts.« Wer in eine solche Blase reingeraten sei – und rauswolle, könne unter anderem in Aussteigerprogrammen Hilfe bekommen.
Und was, wenn Lehrer diesen Extremismus nach außen tragen? »Das hat eine dienstrechtliche Komponente.« Daniel gab den Schülern abschließend mit: »Die Demokratie ist nicht in Stein gemeißelt. Sie hängt von uns ab.« Für seinen Vortrag gab’s viel Applaus.