Karben. Normalerweise gibt es Fahrradstraßen nur innerorts. Die Stadt Karben wollte aber den Klingelwiesenweg außerhalb Okarbens als Fahrradstraße ausweisen. Daraus wird nun nichts, denn die Wetterauer Polizei ist dagegen. Warum?
Wer auf dem kürzesten Weg zwischen Burg-Gräfenrode und Okarben unterwegs sein will, der fährt den Klingelwiesenweg. Als es noch keine Nordumgehung gab, war diese Straße stark befahren. Kaum eine Ortsbeiratssitzung verging, in der nicht über den massiven Verkehr geklagt wurde.
Für Autos ausgedient
Doch nachdem die Autos bequem über die Nordumgehung fahren können, um dann zur B 3 weiterzufahren, hat diese Straße als Abkürzung für die Berufspendler ausgedient.
Das ließ die Stadtverordnetenversammlung aktiv werden. Denn sie beauftragte den Magistrat, den Klingelwiesenweg als Fahrradstraße auszuweisen. Solche Straßen zeichnen sich dadurch aus, dass die Zweiräder Vorfahrt vor den Vierrädern haben. Da dürfen auch mal zwei Fahrräder nebeneinander fahren, und die Autos dürfen, wenn überhaupt, nur in einem weiten Bogen überholen.
Nun war also die Stadtverwaltung gefragt, eine Lösung zu finden. Denn der städtische Verkehrsexperte Ekkehart Böing wusste gleich, dass das alles nicht so ganz einfach würde. Zwar ist der Bürgermeister als örtliche Ordnungsbehörde bei Kommunen bis zu 50 000 Einwohnern berechtigt, verkehrliche Anordnungen zu treffen. Doch hier liegt der Fall etwas anders. Weil ein großes Stück des Klingelwiesenwegs außerhalb der geschlossenen Ortschaft verläuft, hat die Stadt zunächst die Verkehrsbehörde des Wetteraukreises nach ihrer fachlichen Ansicht zu fragen.
Die Gesamtlänge des Klingelwiesenwegs beträgt laut Böing 1300 Meter, davon verlaufen 970 Meter außerhalb geschlossener Ortschaft. Genau hier liege das Problem. Zwar könnten Fahrradstraßen auch außerhalb geschlossener Ortschaften ausgewiesen werden, aber nur dann, wenn sie zu touristischen Zielen führen und die zulässige Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h durchsetzbar ist.
Der städtische Verkehrsexperte hält in seinem Bericht fest, dass zwischen Okarben und den östlich liegenden Stadtteilen keine fahrradgerechten Verbindungen, insbesondere zur Kurt-Schumacher-Schule, vorliegen. Auch die Nordumgehung verfügt über keinen straßenbegleitenden Radweg. »Um eine fahrradgerechte Anbindung Okarbens zu erhalten, wäre der Klingelwiesenweg als Fahrradstraße eine geeignete Lösung, um den Radverkehr in dieser Relation gebündelt und abseits der Hauptverkehrsstraße führen zu können«, erklärt Böing.
Da es in der Region noch keinerlei Erfahrungen mit Fahrradstraßen außerhalb geschlossener Ortschaften gibt, hätte die Stadt gerne ein Pilotprojekt gestartet. Eine wissenschaftliche Begleitung könne Erfahrungen zur Verkehrssicherheit und Akzeptanz erfassen und aufbereiten. Die Hochschule Darmstadt habe eine wissenschaftliche Begleitung dieses Pilotprojektes »signalisiert«, sagt Böing. Außerdem habe es entsprechende Signale auch vom Referat Nahmobilität im hessischen Verkehrsministerium gegeben.
Doch der Regionale Verkehrsdienst Wetterau (RVD) spielte nicht mit. Die notwendige Einholung der fachlichen Auskunft endete für die Stadt ernüchternd. Denn der RVD hat die Stadt darauf hingewiesen, »dass die Anordnung einer Fahrradstraße im Klingelwiesenweg nicht den geltenden Rechtsvorschriften entsprechen würde«, wie Polizeisprecher Tobias Kremp sagt.
Auf Fahrradstraßen gelten nämlich besondere Ge- und Verbote. So dürfe anderer Fahrzeugverkehr als Radverkehr die Fahrradstraßen nicht nutzen, es sei denn, dies sei durch Zusatzzeichen erlaubt. Dann aber würden für die Autos besondere Beschränkungen gelten, wie etwa Tempo 30. Die Straßenverkehrsbehörde könne eine solche Anordnung aber dann treffen, wenn eine »qualifizierte Gefahrenlage« vorliege. Doch genau die verneint die überörtliche Behörde. »Die Straße ist übersichtlich und gut ausgebaut«, betont Kremp. Zudem habe eine von der Stadt selbst erhobene Verkehrszählung ergeben, dass täglich zwischen 700 und 1050 Kraftfahrzeuge auf dem Klingelwiesenweg unterwegs seien. Es lägen also keine Anhaltspunkte vor, dass die allgemeinen und angeordneten Verkehrregeln nicht ausreichen würden, um ein geordnetes Miteinander von Rad- und Fahrzeugverkehr zu gewährleisten.
Schließlich kommt laut Kreisverkehrsbehörde hier auch nicht das Argument zur Geltung, dass auf der Straße der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart sei. Da die Verkehrszählungen der Stadt keine Mengen an Radfahrern enthielten, habe man die von Hessen Mobil im Jahr 2015 an der Zählstelle der L 3351 ermittelten Werte genommen: Durchschnittlich würden hier nur 24 Radfahrer abbiegen. Damit, so der RVD, »liegt die Qualität des Radverkehrs als vorherrschende Verkehrsart in weiter Ferne«.
Die Verkehrsbehörde hat laut Kremp aber Alternativen aufgezeigt: Ein Stück des geschotterten Weges neben der Nordumgehung auszubauen, um den gewünschten Wert für den Karbener Radverkehr zu erreichen.