Karben. Noch ist die Tinte nicht getrocknet, doch die Käufer stehen fest: Der Groß-Karbener Schlossherr Philipp Freiherr von Leonhardi wird neuer Besitzer der Roggauer Oberburg, der umgebende Park geht an die Stadt Karben – mit Verträgen, die die Anlage weiter öffentliches Gut bleiben lassen.
Der Groß-Karbener Schlossherr Philipp Freiherr von Leonhardi wird gemeinsam mit seiner Familie in die Oberburg im Nachbar-Stadtteil Burg-Gräfenrode umziehen. Das hat Dekan Volkhard Guth am Dienstagabend der Vorwoche in einer Gemeindeversammlung bekannt gegeben.
Der in den kommenden Tagen abzuschließende Verkauf der Oberburg markiere dabei das Ende eines »schmerzhaften Prozesses, der nicht zuletzt den Kirchenvorstand zerschlagen hat«, gab Markus Keller, Vorsitzender der Liegenschaftsabteilung der Evangelischen Kirche Hessen-Nassau, zu bedenken.
Um den seit der ersten Gemeindeversammlung vor genau einem Jahr schwelenden Streit im Ortsteil friedlich zu beenden, hat der Dekanatssynodalvorstand, der seit Januar die Geschäfte der Kirchengemeinde im Ort führt, für eine Splittung des Verkaufsobjekts gesorgt: Die Oberburg mit 4000 Quadratmetern Außengelände wird an Philipp Freiherr von Leonhardi verkauft. Als Patron der Kirche war er bereits vergangenes Jahr, als der Kirchenvorstand im April den Verkauf beschlossen hatte, als Interessent aufgetreten. Der 2800 Quadratmeter große Park mit Spielplatz wird an die Stadt Karben verkauft.
In beiden Verträgen sei ein grundbuchrechtliches Bebauungsverbot, ein gegenseitiges Vorkaufsrecht sowie ein Nutzungs- und Wegerecht festgehalten. »Damit bleibt das Gebäude-Ensemble für den Ort erhalten«, betonte Guth. Die Mehrheit der rund 50 Gäste – deutlich weniger als bei vorherigen Gemeindeversammlungen zum umstrittenen Verkauf – begrüßte die gefundene Lösung mit Applaus. Gemeinsam zahlen die beiden Käufer laut Guth rund 800 000 Euro, Einzelzahlen wolle man »zum Schutz der Käufer« nicht nennen.
KRITIK AM VERFAHREN
Für die Kirchengemeinde ergibt sich aus Sicht der Kirche gar eine Win-win-Situation: Zwei Räume im Erdgeschoss – insgesamt 70 Quadratmeter – werden künftig zum Mietpreis von acht Euro pro Quadratmeter für Gemeindebüro und Gruppen angemietet. Damit haben die Kirchensenioren künftig einen barrierefrei zugänglichen Raum für ihre Treffen. 90 Prozent der Kosten werden durch die Gesamtkirche getragen, nur ein Zehntel der Miete sei von der Roggauer Gemeinde zu tragen. Plus: »Der Schritt erlaubt es Burg-Gräfenrode als einzige aller diskutierten Alternativen, innerhalb der geplanten Gesamtkirche weiter eigenständig zu agieren«, betonte Guth.
Mit dem Deal hat wurden laut Guth alle Punkte erreicht, die der Kirche – neben dem vom Gutachter ermittelten Preis für das Ensemble von 590 000 Euro wichtig waren: Der Park kann weiter als Spielplatz genutzt werden, der Lieselturm bleibt Außenstelle des Standesamts, der Park kann für öffentliche Veranstaltungen wie das traditionelle Weinfest des Heimat- und Kulturvereins (HeKu) geöffnet werden, und die Kirche hat neue Räume. Vor diesen Prioritäten sein bei der Auswahl unter insgesamt 30 Interessenten im Online-Verkaufsverfahren bewusst auf ein Höchstbieterverfahren verzichtet worden, erklärte Dekan Guth.
HÖHERES ANGEBOT
Doch genau dieses Vergabeverfahren war es, das unter den Kritikern auch in der wohl abschließenden finalen Gemeindeversammlung zum Thema noch einmal für Unmut sorgte. Für Ortsvorsteher Karlfred Heidelbach (CDU) handelt es sich faktisch doch um ein Höchstbieterverfahren, kritisierte er. So bestätigte Liegenschaftsexperte Keller auf seine Anfrage, dass von Leonhardi ein »deutlich höheres« Gebot abgegeben hätte als die Wohnungsbaugenossenschaft, deren Angebot sachgleich gewesen sei. In den Kirchenbänken wurde damit der Vorwurf laut, dass der Verkauf an von Leonhardi bereits im Vorfeld geplant gewesen sei. Dekan Guth dankte für die – »wenn auch inhaltlich nicht immer richtigen« – Einwände: »Ihr Engagement hat uns gezeigt, dass wir uns hier in Burg-Gräfenrode Mühe geben müssen.«