Der Mensch lebt nicht vom Brot allein, er stirbt sogar am Brot allein, den Tod der Verstümmelung, den Tod des Erstickens, den Tod aller Beziehungen. Den Tod, bei dem wir noch eine Weile weitervegetieren können, weil die Maschine noch läuft, den furchtbaren Tod der Beziehungslosigkeit: Wir atmen noch, konsumieren noch, wir erledigen, produzieren, wir reden noch vor uns hin und leben doch nicht.
Zu leben bedeutet viel mehr als nur das Grundbedürfnis des körperlichen Hungers zu stillen. Das wusste nicht nur Bert Brecht, sondern schon Jesus. Von ihm stammt das für uns geflügelte Wort „Der Mensch lebt nicht vom Brot allein“ (Matthäusevangelium Kapitel 4, Vers 4).
Menschen brauchen so viel mehr als Brot, um nicht nur zu überleben, sondern auch – zumindest ein wenig – glücklich zu leben: Dafür brauchen wir Freundschaften, ein Lächeln, mit dem uns jemand begegnet, Geborgenheit, Verständnis, eine Aufgabe. Eine solche Aufgabe fehlt, wenn Menschen arbeitslos werden. Sie verändern sich: Der innere Antrieb wird kleiner, sie stellen sich immer öfter die Sinnfrage, zweifeln an sich und dem Leben.
Auf der anderen Seite kann die Erwerbsarbeit auch zu einer großen Verführung werden: Da arbeiten Menschen viel, sehr viel, viel zu viel. Und dann beginnt entweder der Körper zu streiken, das Burn-out-Syndrom erfasst sie mit brutaler Wucht und zwingt sie zu Boden. Oder sie beginnen sich danach zu fragen, ob sie so, wie sie leben, glücklich leben.
Manch ein Mensch verändert das eigene Leben, arbeitet weniger, sucht sich eine Lebensgefährtin oder einen Lebensgefährten und denkt sogar an die Gründung einer Familie.
Die Sorge um das Brot, um das Geld, kann das Leben so bestimmen, dass alle Gedanken und die ganze Lebenszeit darauf verwendet werden. Dann gilt: Am Brot allein sterben wir, weil wir fürs Brot allein leben.
In diesen Wochen feiern wir in den christlichen Gemeinden das Erntedankfest. Wir danken Gott für die Schöpfung, gerade auch für Brot und Getreide.
Wir wissen, dass wir sie zum Leben brauchen. Wir erinnern beim Erntedankfest aber auch daran, dass wir mehr brauchen, nämlich die Liebe anderer Menschen und die Liebe Gottes. Und das Gefühl, von anderen und von Gott geliebt zu sein. Ansonsten suchen wir vergeblich nach Anerkennung – manchmal das ganze Leben lang. Vom Brot allein können wir eben wirklich nicht glücklich werden.
Pfarrerin Dr.
Irene Dannemann,
Ev. Heilig-Geist-Gemeinde
Bad Vilbel – Heilsberg