Kaum haben sich die Wogen geglättet, weil die meisten Schulen das Turbo-Abitur G 8 abschafften, schon drohen neue Turbulenzen. Das Land will ab nächstem Schuljahr auch den bestehenden fünften bis siebten Klassen eine Rückkehr zu G 9 erlauben – doch dazu müsste umgehend ein umfangreicher Planungs- und Abstimmungsprozess gestartet werden.
Bad Vilbel. Aufregend ist es am Bad Vilbeler Georg-Büchner-Gymnasium (GBG) jetzt vor allem wegen der Abiturprüfungen, die dort 264 Gymnasiasten ablegen. Weil jeder zwei mündliche Prüfungen abzulegen hat, muss die Schule bis zu 540 Termine dafür organisieren, erklärt Schulleiterin Claudia Kamm. Doch zu dem aktuellen Stress kommt noch eine weitere Herkulesaufgabe. Gerade erst hat sich das GBG offiziell von G 8 auf G 9 umgestellt, dabei die auf Turbo-Abi modifizierten Lehrkonzepte erneut umgestrickt. Nun aber könnte das ganze Verfahren wieder von vorne los gehen. Grund dafür ist die Entscheidung der Landesregierung, bereits ab dem Schuljahr 2014/15 auch den mit G 8 eingestiegenen Jahrgängen sechs und sieben eine Rückkehr zu G 9 zu ermöglichen.
Beschlüsse fassen
Mit dieser Entscheidung werde den Schulgemeinden die größtmögliche Wahlfreiheit eingeräumt, erklärte Mathias Wagner, bildungspolitischer Sprecher der Grünen: Der Gesetzentwurf soll in erster Lesung noch in das März-Plenum des Landtages eingebracht werden. Da das reguläre parlamentarische Verfahren bis zur Verabschiedung des Gesetzes jedoch voraussichtlich noch mehrere Monate in Anspruch nehmen wird, haben CDU und Grüne den Schulen in dem Gesetzentwurf das Recht eingeräumt, entsprechende Vorratsbeschlüsse zu fassen. Das dürfte an den weiterführenden Schulen zu einigem Diskussionsbedarf führen. Die einzelnen Schulen entscheiden selbst, ob sie diese Rückkehr möchten – und in welchem Umfang, erläutert Rosemarie Zur Heiden, die kommissarische Leiterin des Staatlichen Schulamtes für den Wetterau- und Hochtaunuskreis. Zunächst muss eine Gesamtkonferenz entscheiden, ob man G 9 möchte. Dann gibt es mehrere Optionen: das neunjährige Abi nur für die künftigen fünften Klassen, die fünften und sechsten oder die fünften bis siebten Klassen steht zur Disposition.
Möglich ist der Schwenk schon für das nächste Schuljahr. Dann aber müsste dieser Wunsch schon bis Ostern dem Schulamt gemeldet werden. Das ist eher unwahrscheinlich, denn dem Wechsel geht ein umfangreicher Abstimmungsprozess voraus. Verschiedene Gremien, wie Eltern- und Schülerbeiräte kommen zu Wort, dann die Schulkonferenz. In der haben die Lehrer die Mehrheit. Auch das Schulamt und der Wetteraukreis als Schulträger müssen zustimmen.
Eltern sind gefragt
Wenn feststeht, dass der Wunsch nach G 9 überwiegt, geht es aber erst richtig los mit der Mitbestimmung. Dann nämlich, erläutert zur Heiden, sind die Eltern der betroffenen Jahrgänge gefragt. Zunächst gibt es eine anonymisierte Befragung, ob der Wunsch geteilt wird. Sind die Eltern dagegen, scheitert das Vorhaben. Doch auch den Eltern, deren Kinder unter G 8 angefangen haben, muss ein Angebot der Weiterführung gemacht werden. Dazu sind mindestens 16 Schüler eines Jahrgangs erforderlich. Um den realen Bedarf zu ermitteln, gibt es eine zweite, nicht anonyme Elternbefragung. Dann weiß die Schule, welche Schüler mit G 8 und G 9 zu unterrichten sind. Die Konsequenz, so zur Heiden: Es würde dann Mini-Klassen geben. Das stellt die Schulen vor große Herausforderungen, denn sie müssen gleichzeitig die unterschiedlichen Schwerpunkte berücksichtigen: Naturwissenschaft, Fremdsprachen, Bläserklassen. Wenn da zu wenige Schüler zusammenkommen, müsste das Angebot für die G 8-Schüler mit den G 9-Schülern zusammengelegt werden, deutet die Schulamtsleiterin an. Hinzu kommt, dass auch Räume und Lehrkräfte organisiert werden müssten.
Die Lehrerzuweisung wäre für das Schulamt das geringste Problem. Weil bei G 9 weniger Unterrichtsstunden anfallen, „müssten wir sogar Lehrkräfte abziehen“, sagt zur Heiden. Trotz Mini-Klassen sei mit zusätzlichen Zuweisungen nicht zu rechnen. „Das müssen die Schulen aus ihren Mitteln organisieren.“