Herr Rahn, vor einem Jahr wollten Sie wegen der nahen Amtsübernahme keinen Urlaub mehr machen. Haben Sie den nachgeholt?
GUIDO RAHN: Da war auch in den ersten neun Monaten nicht dran zu denken. Ich denke mal, im April oder Mai vielleicht.
Ihre Kraftreserven scheinen ja unerschöpflich zu sein.
RAHN: Man merkt in den letzten Wochen schon, dass es an die Substanz geht. Denn es war schon eine Riesenaufgabe, von drei Hauptamtlichen auf einen zu reduzieren. Diese Leistung ist nur möglich, weil Ehrenamtliche helfen. Jeder macht ein bisschen was, dann geht das und es erspart der Stadt eine Menge Geld.
Das Defizit bis 2011 auf Null zu bringen, wie sie es 2006 versprochen haben, schaffen Sie nicht. Warum?
RAHN: Alle deutschen Kommunen ächzen: Es war das schlechteste Jahr überhaupt in Deutschland, was die Kommunalfinanzen angeht. Die Kommunen wurden durch die Wirtschaftskrise voll getroffen und durch immer mehr neue Pflichtaufgaben. Beim Ausbau der Kleinkindbetreuung bekommen wir nicht 100 Prozent unserer zusätzlichen Kosten ersetzt, sondern vielleicht die Hälfte. Die Kreisumlage-Erhöhung trifft uns mit 400 000 Euro. Und ab diesem Jahr gibt es eine neue Kompensationsumlage: Da muss die Stadt Karben nächstes Jahr 300 000 Euro zahlen. Die Kommunen sind immer das letzte Glied in der Kette – diejenigen, die zahlen müssen.
Aber Sie hatten es versprochen – wie weit sind Sie gekommen?
RAHN: Wir hatten 2009 einen Planansatz von minus 6,7 Millionen Euro, im Haushalt 2011 sind wir bei minus 3,6 Millionen Euro. Wir haben das Defizit fast halbiert.
Wie schaffen Sie das angesichts der zusätzlichen Belastungen?
RAHN: Indem wir äußerst sparsam wirtschaften. Allein zwei Hauptamtliche eingespart zu haben, bringt 200 000 Euro. Eine Amtsleiterstelle haben wir nicht wiederbesetzt. Ansonsten versuchen wir zu sparen, wo es nur irgend geht.
Zum Beispiel beim Streusalz.
RAHN: Nein, im Gegenteil. Bisher hatten wir ein fiktives Streusalzverbot noch aus Zeiten des Grünen-Stadtrats Gerd Rippen. Das haben wir im Magistrat einvernehmlich gekippt, weil wir einfach für die Steilstrecken Streusalz brauchen. An der Sicherheit kann man nicht sparen.
Weil das Defizit immer noch vorhanden ist, müssen sich die Bürger auf höhere Belastungen einstellen?
RAHN: Bei den Kleindkind-Betreuungsplätzen wird es teurer werden. Die Rückmeldung der meisten Eltern ist, dass sie mehr Gebühren zahlen würden, Hauptsache, sie bekommen einen Platz.
Wieso steht Karben in der Wetterau bei der Zahl der Plätze für Kleinkindbetreuung nicht so gut da?
RAHN: Das ist noch der Vorgängerregierung geschuldet. Wir haben dieses Jahr 34 neue Plätze geschaffen, das Angebot verdoppelt. Wir sind auf breiter Front dabei auszubauen und werden nächstes Jahr wohl auf 100 Plätze kommen.
Aber 130 Plätze sind das Ziel laut Gesetz bis 2013. Klappt das?
RAHN: Das schaffen wir locker. Das Problem sind die Folgekosten: Jeder Platz kostet uns 1000 Euro im Monat, das macht 1,5 Millionen Euro jedes Jahr. Dass bekommen wir von oben her verordnet.
Vor einem Jahr haben Sie versprochen, dass man bis Weihnachten 2010 am Stadtzentrum merken wird, dass sich etwas tut. Aber es ist nichts zu sehen. Wieso?
RAHN: Man kann sehen, dass wir diese ungepflegte Wiese gemäht und gemulcht haben lassen. Jetzt sieht es dort ordentlicher aus.
Aber etwas mehr als Rasenmähen sollte es doch schon sein.
RAHN: Wir haben im Hintergrund nun alle Grundstücke in unseren Besitz gebracht. Denn der Investor, der es kaufen wollte, wollte es nun komplett.
„Wollte“? Ist der Investor etwa nicht mehr aktuell?
RAHN: Sie sind nicht so weit gekommen, dass sie jetzt bauen können, und haben eine Frist von uns verstreichen lassen. Deshalb haben zwei Mitbewerber eine Chance, ihre Vorstellungen zu realisieren.
Was haben die beiden vor?
RAHN: Es geht darum, den Rewe-Markt zu verlagern und drumherum ein Einkaufszentrum zu entwickeln mit Apotheke, Bank, kleinen Geschäften, einem Bistro, Café und Wohnungen oben drüber.
Also ein zweites Selzerbrunnencenter?
RAHN: Wir legen mehr Wert auf Gestaltung. Wir verkaufen nicht an den Meistbietenden, sondern an den, der architektonisch und städtebaulich das beste Konzept bringt. Wir müssen den Subway einfangen, der dort so isoliert steht.
Wann wird sich dort etwas tun?
RAHN: Ich gehe davon aus, dass es in den nächsten drei bis sechs Monaten zur Entscheidung kommt.
Das Thema Straßenbau ist ja zum Stillstand gekommen. Stadt und Bund wollen unterschiedliche Trassen bei der B 3. Wie wollen Sie diesen gordischen Knoten lösen?
RAHN: Moment: Wir haben in neun Monaten erreicht, dass die Planfeststellung für die Nordumgehung gekommen ist. Dafür haben wir ein halbes Dutzend Gespräche geführt, sogar mit Ministerpräsident Bouffier. Das haben andere jahrzehntelang nicht erreicht, die nun plötzlich sagen, es hätte schon vor zwei Jahren sein können. Bei der B 3 haben wir gar keinen Stillstand. Wir haben immer klargemacht, dass wir eine Lösung wollen, die langfristig für Karben sinnvoll ist. Da macht es keinen Sinn das zu nehmen, was man kriegen kann, egal was. Eine Lösung kann nur sein, wenn die Umgehungsstraße an Karben vorbeiführt und nicht mittendurch.
Dagegen spricht das Umweltgutachten.
RAHN: Wir haben schon erste Gespräche geführt, damit das aktualisiert wird. Das Geld dafür steht schon im Haushalt 2011. Wenn von einem potenziellen Feldhamster-Aufkommen gesprochen wird, bedeutet das nur, dass dort einer leben könnte, aber nicht, dass dort einer lebt. Es kann doch kein Hinderungsgrund für einen Straßenbau sein, dass mal ein Hamster zuwandern könnte.
Betroffen sind aber die Angelteiche und die Naturfreundehütte.
RAHN: Stimmt, aber das ist eine Abwägungssache: Was ist für die Stadt langfristig sinnvoll? Einen Angelteich zu verlegen ist machbar. Er kann nicht der entscheidende Punkt sein, wenn ein Straßenbau 20, 25 Millionen Euro kostet.