„Warum halten wir denn auf dem Rastplatz?“, fragte der Anrufer über sein Handy und löste damit Lachsalven aus. Er saß im Auto direkt vor unserem und wollte wissen, warum wir von der Autobahn auf den Rastplatz gefahren sind. Anstatt auszusteigen (es regnete nicht) und uns zu fragen, hat er rasch zum Handy gegriffen – war halt einfacher.
Wofür er sich unseren Spott einhandelte, ist gar nicht so unüblich: schnell eine E-Mail oder eine SMS zu versenden. Vieles davon finde ich sehr praktisch und nutze es ebenso, um Informationen auszutauschen oder Texte zu versenden.
Für mich ist das ein Austausch, für den ich keine persönliche Nähe brauche. Wo aber der sogenannte virtuelle Kontakt den echten ersetzen soll, gefällt mir das nicht.
Mit dem Aschermittwoch beginnt in der Kirche die Passionszeit, diese 40 Tage vor Ostern, in denen Christen und Christinnen an das Leiden und Sterben Jesu erinnern. Es war darum eine Fastenzeit und davor hat man noch einmal ordentlich gefeiert – Fasching. Das Fasten ging in der Evangelischen Kirche zumeist verloren, das Feiern nicht. In den 80ern hat man aber die Bedeutung des Fastens neu entdeckt. Seither versucht die Aktion“ 7 Wochen ohne“ Menschen anzuregen, in der Passionszeit ganz freiwillig auf etwas zu verzichten und damit diese 40 Tage positiv vom Rest des Jahres abzuheben. Laut einer Spiegel Umfrage verzichten rund 20 % der Bundesbürger in diesen Wochen auf Alkohol, Süßigkeiten oder Zigaretten.
Jedes Jahr bedenkt die Fastenaktion beispielhaft einen Bereich, auf den es sich zu verzichten lohnen könnte. In diesem Jahr ist es das Motto Nähe. Nein, darauf soll man nicht verzichten, sondern sie suchen und zwar echte, leibhaftige, menschliche Nähe. „Für alles, was nicht in eine SMS oder E-Mail passt“, heißt es dazu in einer Erklärung. Jemandem ins Gesicht zu blicken, miteinander zu lachen, albern sein oder ein ersten Streitgespräch, eine Umarmung oder eine Hand halten, miteinander trauern oder einander stützen, ein Spaziergang – das alles sind für mich Unterschiede zwischen leibhaftigen und virtuellen Kontakten. Wie im Motto „Nähe wagen“ angedeutet, gehört manchmal auch etwas Mut dazu, gerade wenn ich jemanden noch nicht gut kenne. Für manche ist das offenbar zu viel Wagnis und sie versuchen durch virtuelle Kontakte echte zu ersetzen. Was man da alles verpasst! Einen schelmischen Blick, Situationskomik, jeden Unterton und so manche Überraschung, wenn eigene Vorurteile über den Haufen geworfen werden. Um das alles zu erleben, lohnt es sich, auf den PC oder ähnliches zu verzichten und Nähe zu wagen. Und wer dafür auf nichts verzichten muss, weil er all das sowieso nicht benutzt, kann die 7 Wochen für dasselbe nutzen. Lange aufgeschobene Besuche, gemeinsame Unternehmungen oder Briefe, wo das nicht möglich ist, sind doch eine schöne Möglichkeit um die kommenden 6 ½ Wochen positiv zu füllen und Nähe zu genießen.
Pfarrerin Ulrike Mey
Ev. Christuskirche Bad Vilbel