Im Mai können wir uns an einer Reihe von zusätzlichen Feiertagen erfreuen. Neben dem Christentum haben wir auch der Arbeiterbewegung einen Feiertag zu verdanken. Der jeweilige Anlass der Feiertage wird jedoch längst nicht mehr von der breiten Bevölkerung gefeiert. In der Regel freut man sich über einen zusätzlichen freien Tag und nutzt ihn nach eigenem Ermessen. Doch auf einen Feiertag trifft dies nicht zu: der Muttertag. Obwohl in Deutschland kein gesetzlicher Feiertag, erfreut er sich großer Beliebtheit.
Im Vergleich zu manch kirchlichem Feiertag hat der Muttertag eine kurze, dafür aber sehr bewegte Geschichte. Dieser Tag geht auf die Initiative von Anna Marie Jarvis zurück. Als methodistische Christin lebt sie in den USA der vorletzten Jahrhundertwende. Schon ihre Mutter war in guter methodistischer Tradition dem sozialen Engagement verpflichtet, organisierte in der amerikanischen Bürgerkriegszeit Mütterfreundschaftstage. Es gelang ihr jedoch nicht, einen entsprechenden Feiertag zu begründen. Ihre Tochter Anna Marie Jarvis griff dieses Bestreben auf, als sie am Sonntag nach dem zweiten Todestag ihrer Mutter ein Muttertags-Gedenktreffen im Gottesdienst feiern ließ. Seitdem widmete sie sich hauptberuflich dem Anliegen, einen Feiertag zu Ehren der Mütter einzuführen. So wurde in den folgenden Jahren am zweiten Sonntag im Mai in der Methodistenkirche ein entsprechender Gottesdienst gefeiert. 1914 wurde der Muttertag dann erstmals als ein nationaler Feiertag zu Ehren der Mütter in den USA begangen.
Anna Marie Jarvis hatte einerseits Erfolg gehabt mit ihrem Bestreben. Doch kaum war dieser Feiertag etabliert musste sie miterleben, wie er kommerzialisiert wurde. In Deutschland wurde der Muttertag z. B. nicht durch eine weibliche Fürsprecherin wie eine Jarvis bekannt, sondern durch den Verband Deutscher Blumengeschäftsinhaber. Jarvis setzte sich deshalb bis an ihr Lebensende für den Kerngedanken des Feiertages ein: die Leistung der Mütter zu würdigen.
Dieser Feiertag gibt uns heute eine schöne Gelegenheit, das fünfte der zehn Gebote bewusst zu leben: „Du sollst deinen Vater und deine Mutter ehren.“ (2. Mo. 20,12) Nicht grundlos ist dieses Gebot das erste der zehn Gebote, das unser zwischenmenschliches Leben betrifft. Im Neuen Testament wird die Bedeutung des Gebotes unterstrichen, wenn es im Epheserbrief heißt: Es „ist das erste und grundlegende der Gebote, die das Verhalten der Menschen untereinander betreffen. Darum folgt ihm auch eine Zusage: „Dann wird es dir gut gehen und du wirst lange leben auf dieser Erde.““ (Epheser 6,2-3) Der Muttertag bietet einen Anlass, zumindest einen Elternteil bewusst zu ehren. Allerdings braucht es nicht bei einem Elternteil zu bleiben. Auch Väter sind durchaus ehrwürdige Wesen.
Clemens Breest, Pastor
Freie evangelische Gemeinde
Bad Vilbel