Karben. Eine ganz besondere Karbenerin hatte am Sonntag allen Grund zum Feiern: Else Lampert, Groß-Kärber Urgestein, Näherin und Vorkämpferin für die Mundart, wurde 90 Jahre alt.
Als Else Lampert noch ein Kind war, wurde ihr Geburtstag am 6. Dezember nie groß gefeiert. „Das war damals nicht üblich. Nur einen Nikolaus aus Hefeteig, extra für mich gebacken, den habe ich immer bekommen“, sagt die gebürtige Groß-Kärberin.
Erst vor wenigen Tagen saß sie noch in ihrer Schwälmer Tracht im Bürgerzentrum und zeigte auf dem Hobby- und Künstlermarkt den Besuchern, wie man spinnt. „Gelernt ist gelernt“, sagt Lampert, für die das Spinnen in der harten Nachkriegszeit kein Zeitvertreib, sondern Broterwerb war.
Schön war sicherlich nicht alles in ihren 90 Lebensjahren, geboren als jüngste Tochter des in Karben zugewanderten Heinrich Kraft. Der Vater starb früh, er verunglückte beim Eisenbahnbau in Frankfurt, und die Mutter musste hart arbeiten, um ihre zwei Buben und die Tochter durchzubringen. Zum Glück hatte der Vater, ein gelernter Schmied und „Wandersmann“ aus dem Bayerischen, sich in Karben ein kleines Wohnhaus und etwas Land erworben. Die Kinder mussten fleißig helfen, im Haushalt, bei den Tieren, im großen Obst- und Gemüsegarten. „Wir kannten es gar nicht anders“, sagt Else Lampert und erinnert sich auch an vergnügte Zeiten. Wenn etwa ihre Brüder Fritz und Konrad mit ihr an der Gehspitze, wo sich im Winter ein Weiher bildete, Schlittschuhlaufen gingen. Oder sie zu Ausflügen auf dem Motorrad mitnahmen. Nach der Schule lernte sie Weißnäherin, fuhr morgens mit dem Zug nach Friedberg, später nach Frankfurt, wo sie bei einem Damen- und Herrenschneider arbeitete. Im Krieg wurde sie bei den Adlerwerken zwangsverpflichtet, saß in der Schreibstube und sorgte sich bei den Bombenangriffen auf Frankfurt. Oft ging es zu Fuß zurück nach Karben, durch ein zerstörtes Frankfurt.
Kurz vor Kriegsende, am 4. Februar 1949, heiratete sie Landwirt Karl Lampert aus Groß-Karben. Im gleichen Jahr kam ihr Sohn Eckhard zur Welt, 1951 und 1956 folgten die Töchter Ulrike und Bettina. „Wir hatten eine kleine Landwirtschaft und mussten schaffen wie die Ochsen“, erzählt Else Lampert. Der Hof wurde später aufgegeben, aber im Haus im Dorfkern blieb das Ehepaar wohnen.
„Ich kann die Hände nicht in den Schoß legen“, sagt sie. Rege ist Else Lampert bis heute. Dazu gehört auch ihre Liebe zur Karbener Mundart. Wann immer eine Lesung ist, wird sie gerufen, holt ihre Peter-Geibel-Ausgabe heraus und trägt vor, was der Klein-Kärber Dichter zu erzählen wusste.