Den Druck und Stress des Arbeitsalltags hinter sich lassen und hinein in die Dunkelheit und ein besinnliches Osterfest spazieren: Mit diesem Ziel sind am Abend des Gründonnerstags 23 wetterfeste Wanderer von Karben nach Altenstadt gepilgert.
Karben. Viele haben sich erst spontan entschieden, ob sie am Nachtpilgern der katholischen Gemeinde St. Bonifatius teilnehmen wollen. 23 Pilger in regenfester Kleidung sind zusammengekommen, um gemeinsam in die Nacht zu wandern. Doch bevor sie die 25 Kilometer durch Wald und entlang der Nidda in Angriff nehmen, gönnen sie sich eine Stärkung im Pfarrzentrum von St. Bonifatius.
Reiner Neidhart hat das Nachtpilgern nicht nur mitorganisiert – sondern stellt auch eine kräftige Gemüsesuppe bereit, an der sich die Wanderer noch einmal satt essen können, bevor er hinein geht in die dunkle Nacht. „Das ist die Nahrung für den Leib, die Nahrung für die Seele gibt es heute Nacht“, erklärt Neidhart fröhlich lachend.
In einer kurzen Vorstellungsrunde zeigen sich schnell unterschiedliche Erwartungen an die bevorstehende Nacht. Viele sind zum ersten Mal dabei und gespannt auf die Naturerfahrung in Ruhe und Dunkelheit. Andere sind erfahrene Wanderer auf dieser Strecke und wissen bereits, welche eindrucksvollen Erfahrungen und Erkenntnisse in der Natur auf sie warten.
Richard Jokel aus Karben ist mit seinen 64 Jahren der älteste Pilger an diesem Abend. Er ist bereits zum dritten Mal dabei und weiß über die erholende Wirkung der Wanderung: „Wenn ich morgen zurück komme, habe ich das Gefühl, ich wäre eine Woche in Kur gewesen.“ Dabei genießt er besonders die Ruhe und die Gruppenerfahrung: „In der Dunkelheit schaut man nicht in der Gegend herum, sondern ist ganz für sich. Die Gruppe bietet Halt, aber in der Gruppe komme ich zu mir selbst“, erklärt der Katholik, der erst in den vergangenen Jahren seine christlichen Wurzeln erneut aufleben ließ. Nun spürt er auch die Kraft der Spiritualität wieder, genießt die Besinnlichkeit der gemeinsamen Meditation im Gebet und erkennt: „Im Dunklen das „Vater Unser“ zu beten, hat einen ganz anderen Stellenwert als in der Kirche.“
Sieben Gebetsstationen hat Reiner Neidhart zusammen mit Gerhard Purpus und Helmut Weitz kreiert, an denen die Gläubigen ihre Gedanken zur christlichen Leidensgeschichte Jesu reflektieren können. So wird zunächst eine Bibelstelle rezitiert, ehe Purpus einen selbst verfassten Gedankenanstoß vorträgt, den die Mitwandernden im Stillen oder im Gespräch zum Nachdenken nutzen können. Auch singen sie gemeinsam ein Lied und beten ein „Vater Unser“, ehe sie weiter gehen.
Dabei sei der Weg das Ziel: „Wenn wir durchlaufen, wären wir in fünf Stunden da, aber darum geht es nicht“, erklärt Neidhart. Besonders freut es ihn, dass es in diesem Jahr zum ersten Mal gelang, Schlüssel zu allen Kirchen auf dem Weg zu besorgen.
Ein längerer Zwischenstopp ist an der Wallfahrtskirche Maria Sternbach bei Florstadt geplant. Um dort ein wärmendes Lagerfeuer zu machen, teilen die Wanderer zu Beginn des Ausflugs das nötige Feuerholz auf ihre Rucksäcke auf, denn dass man es nur gemeinsam durch die Nacht schafft, darin sind sich die Pilger einig – zumal Handys und ablenkende Navigationsgeräte zu Hause gelassen wurden.
Ebenso wie die Frauen: „Wenn Männer unter sich sind, sind sie freier in ihren Gedanken und freier sich auszudrücken“, erklärt Neidhart den Sinn einer reinen Männerwallfahrt. So sei alles darauf ausgelegt, in unbefangenen Gesprächen zu nächtlichen Erkenntnissen zu gelangen.
Nach einem ersten Gebet am Wegkreuz nahe der Gemeinschaftsobstanlage in Klein-Karben legen die Wanderer das Teilstück bis Burg-Gräfenrode schweigend zurück, um die Gedanken frei zu bekommen. Und damit folgende Gespräche losgelöst sind von all dem Stress und der Hektik, den die Pilger hinter sich ließen.
Zwischen sieben und acht Uhr in der Früh ist schließlich die Ankunft in der St. Andreas Gemeinde in Altenstadt geplant. Dort steht ein Frühstück bereit.