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Mit einer Stimme sprechen – EU-Kommissar Günther Oettinger: Europa funktioniert nur groß oder gar nicht

Wetterauer Präsente für den Gast (von links): Irene Utter, Tobias Utter, Lucia Puttrich, Günther Oettinger, Bürgermeister Thomas Stöhr und Landrat Jan Weckler. Foto: Dostalek
Wetterauer Präsente für den Gast (von links): Irene Utter, Tobias Utter, Lucia Puttrich, Günther Oettinger, Bürgermeister Thomas Stöhr und Landrat Jan Weckler. Foto: Dostalek

Bad Vilbel. Nicht alle Tage kommt ein EU-Kommissar zum Neujahrsempfang eines CDU-Kreisverbandes. Doch die Europawahl macht es möglich. So summte und brummte es vor Aufregung im voll besetzten großen Saal des Sport-und Kulturforums Dortelweil und gleich zwei lange Tische waren reserviert für Ehrengäste: Ex-Landtagschef Norrbert Kartmann, wurde ebenso gesichtet wie Petra Roth, vormalige Frankfurter Oberbürgermeisterin.

EINHEIT GESCHWÄCHT
Tobias Utter, Vorsitzender des CDU-Stadtverbandes, begrüßte die Landtagsabgeordneten und Wetterauer Politiker Jörg-Uwe Hahn (FDP), Lisa Gnadl (SPD) Katrin Andres (Grüne) nebst der Wetterauer CDU-Vorsitzenden und Ministerin für Bunde- und Europaangelegenheiten, Lucia Puttrich. In ihrer Rede machte sie Mut für ein Durchstarten der CDU in diesem Jahr, beflügelt von einer neuen Parteiführung im Bund und der neu gewählten hessischen Landesregierung unter Volker Bouffier, der sie abermals angehört.

Klare Worte zu Europa sprach Günther Oettinger. »Nach sechs guten Jahren trübt sich die Lage ein«, mahnte er. Das sei nicht nur den schlechteren wirtschaftlichen Daten geschuldet, sondern auch den politischen Entwicklungen, die die politische Einheit Europas schwächten. Ungarn, Polen und Rumänien hielten die EU-Regeln für Rechtsstaatlichkeit nicht ein oder akzeptierten sie nur eingeschränkt. Hoffnung gäben andere Länder wie die baltischen Staaten Estland, Lettland und Litauen sowie Irland.

AUTOKRATEN REGIEREN
Eine »große Unordnung« weltweit befürchtet Oettinger, denn Autokraten regierten in vielen Ländern und Populisten würden gefeiert. China wachse zu einer Weltmacht heran, die ihren wirtschaftlichen und politischen Einfluss verstärken wolle. »Wenn wir unsere auf demokratischen und sozialen Prinzipien ruhende Werteordnung erhalten wollen, dann müssen wir dafür kämpfen«, erklärte Oettinger mit Nachdruck. Europa sei Erfolgsprojekt und Garant gleichermaßen für ein Leben in Frieden und Freiheit. Wer wolle, dass das so bleibe, dem müsse eines klar sein: »Europa funktioniert nur groß oder gar nicht«.
Einig müsse Europa sein, gemeinsam auftreten und mit einer Stimme sprechen, sonst sei Europa verloren gegen die großen Player im Weltgeschehen, ob nun China, USA oder Russland. Oettinger riet, einmal einen Blick auf die Wirtschaftsmacht China zu werfen mit Riesenstädten wie Shanghai. Mit 34 Millionen Einwohner sei diese Stadt um vielfaches größer als die deutschen Großstädte zusammen genommen.

Doch die 27 europäischen Mitgliedstaaten zählen zusammen 512 Millionen Einwohner und sind laut Oettinger der »größte Marktplatz der Welt«. Von dem großen Binnenmarkt ohne Zölle profitiere die Wirtschaft und Wohlstand der Menschen. Die gemeinsame Euro-Währung von neunzehn EU-Ländern sei ein zusätzliches Plus, das Europas Abhängigkeit von dem Dollar als Leitwährung reduziere. Die Freizügigkeit sei ein Segen, beschwor Oettinger. Trump will in den USA eine Mauer bauen, wir können ohne Pass und Visum in Europa reisen«, hob Oettinger besonders hervor.
Warum nun England genug von Europa hat und die Scheidung will, dafür gibt es nach Ansicht Oettingers einige Erklärungen. Das Lebensgefühl der Engländer, einstige Weltmacht und Inselstaat, der mit Distanz zum übrigen Europa blicke, trage zur politischen Spaltung ebenso bei wie wirtschaftliche Gründe, Parteienkonstellationen und die Gemütslage von sozialen Schichten, die sich benachteiligt fühlten.

WICHTIGE WAHL
Angesichts all dieser drängenden Probleme hat für Oettinger die Europawahl einen hohen Stellenwert. »Wir brauchen eine hohe Wahlbeteiligung«, forderte er und kritisierte, dass die Parteien für die Wahlkämpfe daheim zwar viel Geld ausgäben, aber wenig für die Europawahl. Unüberhörbar gab er seinen Parteifreunden auf: »Das muss sich ändern«. Die Europawahl sei genauso wichtig wie eine Bundestagswahl.
Händeschütteln folgte der einstündigen Rede. Dann machte sich der Europa-Kommissar    auf zur nächsten Veranstaltung nach Freiburg.