Gegen die beschlossene Wohnbebauung auf den Massenheimer Friedhofswiesen regt sich Widerstand. Über 50 Anwohner kamen zur Gründung der Bürgerinitiative „Natürlich Massenheim“. Moniert wird, dass das 17 000 Quadratmeter große Areal – davon sind 9961 Quadratmeter zur Bebauung vorgesehen – für eine Bebauung ungeeignet sei, aber für die Stadt „einfach und billig“ zu haben. Nun wird juristischer Rat für eine Klage gesucht.
Bad Vilbel. Im Lokal „Zum Mühlengrund“ hatten sich über 50 Anwohner versammelt, nachdem per Flugblatt kurzfristig zur Gründung von „Natürlich Massenheim – Bürgerinitiative zum Erhalt der Friedhofswiesen in Massenheim“ aufgerufen worden war. Es ging ihnen um ein an die Herz-Jesu-Kirche und den Friedhof angrenzendes Areal, das ursprünglich zur Friedhofserweiterung gedacht war und Ausgleichsfläche für das Baugebiet Harheimer Weg ist. Dort stehen bereits graue Stelen für Urnenbestattungen.
„Die Stadt möchte eine Gesetzeslücke nutzen, die bis Ende 2019 ermöglicht, Bauvorhaben ohne Naturschutz-Gutachten durchzuführen“, monierten die 14 Unterzeichner des Flugblattes. Der an diesem Abend mehrfach zitierte Paragraf 13 b des Baugesetzbuches soll die möglichst schnelle Schaffung von Wohnraum für Gering- und Mittelverdiener ermöglichen. Das Thema sorgte bei der jüngsten Sitzung des Massenheimer Ortsbeirats für Zündstoff: Bereits im Vorfeld gab es ein weiteres, aber anonymes Flugblatt, in dem gegen Asylanten gehetzt wurde (wir berichteten).
„Ein unsägliches Flugblatt“, sagte dazu Stefan Doorn, einer der Mitinitiatoren der Bürgerinitiative. „Wir müssen aufpassen, dass wir nicht in diese Ecke abgeschoben werden“, betonte er. Das sah auch Mitstreiter Peter Paul so, der für die Grünen im Ortsbeirat und im Stadtparlament sitzt.
Noch früh im Verfahren
Er erläuterte, er habe sich bei der Abstimmung für das Massenheimer Baugebiet enthalten, aber den zwei weiteren geplanten Arealen im Berkersheimer Weg und auf dem Heilsberg zugestimmt. Der Aufstellungsbeschluss für die drei Grundstücksbereiche kam jedoch mit Mehrheit zustande.
Das ärgerte viele Massenheimer. Lutz Weyland, der „Mühlengrund“-Wirt, wandte ein, dass die Friedhofswiesen 1998 als Ausgleichsfläche für das direkt nebenan entstehende Baugebiet Harheimer Weg dienten. Auch das Thema Verkehr sei „vom Tisch gewischt“ worden. Und auch, dass zwar 80 von 100 Zuhörern gegen die Bebauung gewesen seien, diese aber im Gremium „einfach durchgewunken“ worden sei. Peter Paul merkte zwar an, „wir sind noch ganz früh im Verfahren, aber wir müssen jetzt schon aktiv werden“. Wenn es in der Detailplanung „nur noch um vier oder fünf Geschosse geht, ist der Käse gegessen“. Stefan Doorn hätte an diesem Abend gerne einen Fachanwalt für Verwaltungsrecht mitgebracht, der aufzeigen sollte, wie und wogegen man vorgehen könnte. Der Jurist habe aber am Nachmittag zuvor abgesagt, seine Kanzlei könne den Fall nicht vertreten, berichtete er enttäuscht.
Es ging bei der nur 70 Minuten dauernden Versammlung sehr sachlich zu. Besprochen wurden die nächsten Schritte wie die Suche nach einem Rechtsbeistand, der erläutern soll, welche Klagemöglichkeiten bestehen. Auch soll Kontakt zu anderen Bürgerinitiativen gesucht werden, um deren Erfahrungen im Umgang mit der Stadt zu erkunden.
Heftig kritisiert wurde das Verhalten der Stadt. Ein Anwohner sagte, die früheren Eigentümer des Grundstücks hätten es damals für zehn Mark pro Quadratmeter nur für die Friedhofserweiterung verkauft. Heute sei das Areal 500 Euro pro Quadratmeter wert, es sei „moralisch nicht in Ordnung, wie man mit den Bürgern verfährt“, klagte ein Anwohner. Das Grundstück am Friedhof sei für Bebauung ungeeignet, aber „einfach und billig“ für die Stadt zu haben, monierte Paul.
Kritikpunkt Verkehr
Außer dem Aspekt Ökologie gab es noch einen weiteren Kritikpunkt: den Verkehr. Peter Paul verwies auf eine Aussage des städtischen Verkehrsplaners Professor Rüdiger Storost, wonach Massenheim schon jetzt verkehrlich an seiner Belastungsgrenze sei. Alle Zufahrten führten durch die enge Ortsmitte Massenheims, die durch den landwirtschaftlichen Verkehr zusätzlich strapaziert werde.
Dabei sei das erst der Anfang, verwies Paul auf einen Bericht der Bad Vilbeler Neuen Presse, worin die CDU-Fraktionsvorsitzende Irene Utter eine weitere mögliche Wohnbebauung entlang des verlängerten Harheimer Wegs erwähnt habe. Dies allerdings, wie Utter am Dienstagabend im Stadtparlament ausführte, nur als eine von mehreren Möglichkeiten und mit dem deutlichen Verweis auf den neuen Regionalen Flächennutzungsplan, der 2020 zur Verfügung stehen soll.
Am Ende des Abends entschlossen sich 37 Zuhörer, bei der Bürgerinitiative „Natürlich Massenheim – Bürgerinitiative zum Erhalt der Friedhofswiesen in Massenheim“ mitzuwirken.