Fasching bietet uns die Gelegenheit, in eine andere Rolle zu schlüpfen. Wir können eine Maske tragen und uns dahinter verstecken. Manch einer nimmt das zum Anlass, sich so zu verhalten, wie er oder sie es unmaskiert nie wagen würde. Aber hinter der Maske weiß man: „Ich bleibe unerkannt.“
Es gibt viele Situationen, in denen wir hoffen, anonym zu bleiben. Wer im Internet unterwegs ist, gibt verschlüsselte Namen an. Und oft ist das sehr sinnvoll. Die Anonymität ist ein Schutz. Das gilt besonders für Kinder und Jugendliche. In Mexiko, so habe ich gerade gelesen, haben Journalisten den Kampf gegen die Drogen-Mafia aufgenommen. Aber weil es zu gefährlich ist, dies unter dem richtigen Namen zu tun, tun sie das in ihren Blogs im Internet unter Künstlernamen.
Wer enttarnt wird, muss um sein Leben fürchten. Und auch die Bewegung unter dem Namen „Anonymous“ hat sich zur Aufgabe gemacht, Firmen und Personen im Internet an den Pranger zu stellen, ohne sich selbst zu erkennen zu geben. Damit will man sich schützen vor Strafverfolgung, denn manche Aktivität ist illegal. Es macht ohne Zweifel in manchen Situationen Sinn, anonym aufzutreten. Es ist für uns persönlich aber auch eine Versuchung: Anzugreifen ohne sich angreifbar zu machen. Zu kritisieren ohne kritisiert werden zu können. Sich der Reaktion auf meine Aktion zu entziehen.
Ich frage mich: Wenn uns etwas stört, sollten wir dann nicht in der Lage sein, dies auch offen zu sagen? Es sei denn, dass ich mich in einem Abhängigkeitsverhältnis befinde oder um mein Leben fürchten muss. Aber das ist doch bei uns eher selten der Fall. Es geht darum, erkennbar zu sein und die Verantwortung zu übernehmen für das, was ich denke und sage. Das heißt aber auch: Wir sollten Kritik so äußern, dass wir es genauso sagen würden, wenn die betreffende Person anwesend ist. Das würde eine Auseinandersetzung bedeuten, bei der ich mich nicht verstecke, sondern mich zu erkennen gebe. Ich würde hinter dem Rücken genauso reden wie vor dem Rücken. Das wäre nicht leicht, und man müsste sich manchmal ziemlich bremsen.
Warum uns das so schwer fällt? Ich glaube, es hat etwas mit Angst zu tun. Angst davor, nicht mehr gemocht zu werden, Angst davor, angegriffen zu werden, Angst davor, sich angreifbar zu machen und sich plötzlich selbst verteidigen zu müssen. Aber es wäre auch eine Befreiung.
Ohne Masken wüssten wir, woran wir miteinander sind. Und wenn ich bei dem, was ich sage, nicht erkannt werden will, dann sollte ich es lieber ganz sein lassen – an Fasching, aber auch sonst.
Ihr Pfarrer Jens Martin Sautter
Christuskirchengemeinde
Bad Vilbel