
Karben. Ein Hochkaräter aktueller Literatur war am Freitagabend im Karbener Bürgerzentrum zu Gast. Zur Premiere der ersten Karbener Literaturtage präsentierten die Organisatoren den niederländischen Autor Leon de Winter.
Leon de Winter brachte seinen brandneuen Roman »Stadt der Hunde« mit und präsentierte sich sympathisch und humorvoll. Und das, obwohl die Deutsche Bahn ihm die Anreise in die Wetterau nicht gerade leicht gemacht hatte. »Zur Not wäre ich auch nach Groß-Karben gelaufen«, sagte er. Schließlich lese er das erste Mal aus diesem Buch. »Und dann gleich auf Deutsch. Eine Uraufführung in Groß-Karben also«, betonte Leon Winter und lachte. Die Zuhörer ließen sich von der guten Laune des 71-Jährigen anstecken und genossen den besonderen Literaturabend.
Ein Hund, der
verstanden hat
Denn schnell stellte sich heraus: Leon de Winter ist nicht nur ein erfolgreicher Schriftsteller, sondern auch ein unterhaltsamer Erzähler. Bevor er aber Passagen aus seinem Roman vorlas, erzählte er ein wenig zur Entstehungsgeschichte und dazu, wie er überhaupt auf das Thema des Buches gekommen war. »Ich war lange mit dem Schreiben beschäftigt. Eine erste Idee hatte ich bereits 2016.« Das Vorhaben, über Hunde zu schreiben, sei auch durch seine Hündin Senta entstanden. »Eine Mischung aus Golden Retriever und Mastiff.« 18 Jahre habe er mit dem Tier genießen können, 2023 sei Senta schließlich gestorben. »Ich habe viel mit ihr geredet, und sie hat mich verstanden«, so der Autor.
Der Roman sei ein Märchen. Ein Märchen, in dem der Autor Platz für kleine Seitenhiebe auf Bekannte aus der realen Welt einräumte – seinen Neffen zum Beispiel, einem niederländischen Herzchirurgen. »Unglaublich unangenehm, schrecklich erfolgreich, einfach unerträglich. Ein Diktator. Das ist der Mann in meinem Buch.« Genauer gesagt: Sein Neffe stand Vorbild für den renommierten niederländischen Gehirnchirurgen Jaap Hollander, der in »Stadt der Hunde« seine vor zehn Jahren in Israel verschwundene Tochter Lea sucht.
»Ich fange nicht eher an zu schreiben, bis ich alles recherchiert habe«, informierte de Winter seine Zuhörer. »In diesem Fall hatte ich am Anfang diesen Mann, einen Hund und die Tatsache, dass jemand in Hundescheiße tritt. Nicht viel also.« Fest stand auch: Die Geschichte muss gut ausgehen. »Ich liebe Geschichten mit Happy End. Normalerweise ist das in der modernen Literatur nicht erlaubt. Es endet oft mit einer Apokalypse.«
Dann, nachdem de Winter seine Brille abgesetzt und das Buch in die Hand genommen hatte, ging es mitten hinein in das Leben von Jaap Hollander. Der begnadete Gehirnchirurg, der ein wenig wie Al Pacino aussieht, und seine Frau Nicole, die an Blondie erinnert, leben in einem riesigen Haus in Amsterdam. Hollander ist im Ruhestand, aber Ruhe findet er nicht. Seit seine Tochter zehn Jahre zuvor in Israel verschwunden ist, kehrt er jedes Jahr nach Tel Aviv und in die Wüste Negev zurück. Dorthin, wo die 18-jährige Lea, die zum Judentum konvertieren wollte, und ihr amerikanischer Freund Joshua zuletzt gesehen worden waren. Am dortigen Krater in der Wüste hatte man einst Rucksäcke und Handys des Paars gefunden.
Genau diesen Ort sucht der inzwischen geschiedene Hollander im zehnten Jahr seiner Suche auf. Leon de Winter nimmt seine Karbener Zuhörer mit an den Kraterrand. Als aus dem Nichts heraus plötzlich ein Hund auftaucht, klappt er das Buch zu. Mehr will er nicht verraten.
Freundlich bedankt er sich bei Gastgebern und Zuhörern und macht sich auf zum Büchertisch, um seinen Roman auf Wunsch zu signieren. Schnell hat sich eine Menschenschlange gebildet. Eine der Ersten, die um ein Autogramm bittet, ist Barbara Janus aus Bad Vilbel. »Ich konnte es kaum glauben, als ich gesehen habe, dass Leon de Winter zu den Karbener Literaturtagen kommt. Das ist toll.« Sofort habe sie Karten gekauft. »Vielleicht gehen wir auch noch zu Ingrid Noll«, sagt sie.
Mit Resonanz
zufrieden
Ein paar mehr Zuhörer für die Lesung von Leon de Winter hätten sich die Organisatoren, Büchereileiterin Antonia Berberich und Stadtsprecher Dominik Rinkart sowie Initiator Dieter Körber gewünscht. »Allgemein aber ist die Resonanz sehr gut«, sagt Berberich. Groß sei das Interesse vor allem für die Lesungen von Ingrid Noll (21. März) sowie für Bodo Kirchhoff (22. März).
Von Janine Stavenow