Karben. Ganz still baut Olivia (1½) bunte Bausteine aufeinander. Sie ist so mit sich selbst beschäftigt, dass sich Mama Martina Provaznik (33) in aller Ruhe unterhalten kann. Die zweifache Mutter möchte Tagesmutter werden. Dafür holt sie sich Rat bei Gabriele Ratazzi-Stoll im Kindertagespflege-Büro.
„Kinder können sich besser entwickeln, wenn sie zusammen sind“, weiß Martina Provaznik. Olivia hätte dann vielleicht zwei Spielfreunde um sich. Der Aufwand sei überschaubar, das Budget bessere sie sich ein wenig auf, hofft die Klein-Karbenerin. Den Verdienst bringe ohnehin ihr Mann nach Hause.
Das ist bei Tagesmüttern häufig der Fall. Doch: „Enthusiasmus treibt sie an“, berichtet Ratazzi-Stoll. Tagtäglich berät sie Tageseltern. Trotzdem gibt es nur sieben aktive Tagesmütter in Karben. Sie betreuen 21 Unter-Dreijährige.
Für jeden von ihnen zahlt der Wetteraukreis einen Zuschuss. Aber nur zwei Euro pro Stunde. Davor steht noch ein Wust an Bürokratie. Zahlen Eltern beispielsweise fünf Euro pro Stunde oder 650 Euro im Monat fürs Betreuen eines Kindes an die Tagesmutter, können sie den Zuschuss beantragen. Dann fließen 260 Euro Fördergeld – aber an die Tagesmutter, die das ihrerseits den Eltern zurückgibt. Die Eltern müssen dem Kreis aber einen „Kostenbeitrag“ von 129 Euro zahlen. Das frisst den Zuschuss zur Hälfte auf.
„Diese Bürokratie“, sagt Ratazzi-Stoll, „ist ganz schlimm.“ Weshalb sich Karbens Tagesmütter weniger Formalien wünschen – noch vor der Forderung nach besserer Bezahlung. Doch auch die wäre wichtig.
Denn zwei Euro sehe der Wetteraukreis als leistungsgerechte Bezahlung an. „Damit können Tagesmütter wirtschaftlich nicht arbeiten“, kritisiert die Beraterin, und es sei verständlich, wenn sich kaum jemand finde, der bedarfsgerecht Betreuung bis 19 Uhr anbieten wolle.
Also erstellt Gabriele Ratazzi-Stoll mit jeder Interessentin einen Wirtschaftsplan. „Die Verdienstfrage stellen die meisten erst, wenn sie merken, dass sie mit dem Geld nicht hinkommen.“ Richtig kritisch wird es, wenn die Tageseltern Verdienstgrenzen bei Kranken- und Rentenversicherungen überschreiten: Schlagartig schnellen dann Beiträge hoch und fressen den kleinen Verdienst auf. „Wer nur ein oder zwei Kinder betreut, bei dem bleibt häufig gar nichts übrig.“
Dringend brauche es für die Tagesmütter auch Regelungen für Krankheits- und Urlaubsvertretungen. „Dafür ist der Kreis zuständig“, sieht die Fachfrau Friedberg in der Pflicht. Und sie ist überzeugt, dass Beratung und Betreuung von Tagesmüttern und Eltern besser werden muss. Mit dem speziellen Büro und 26 Wochenstunden für Gabriele Ratazzi-Stoll ist Karben kreisweit Vorreiter. Für die um 50 Prozent größere Nachbarstadt Bad Vilbel gibt es, laut Landesvorgabe, bloß zehn Stunden pro Woche. „Die Eltern sind so verzweifelt, sie rufen schon hier an“, berichtet Ratazzi-Stoll. Sie aber kann kaum helfen.
Viele der Unter-Dreijährigen drängen in die Kitas, weil das billiger ist als das Betreuen bei einer Tagesmutter – trotz deren schlechter Bezahlung. Darauf hatten sich die Kommunen eingestellt, viel investiert. Sie bekommen nun Hals über Kopf Fördergelder gekürzt. Folge: Höhere Elternbeiträge drohen. Der Teufelskreis trifft Familien mit kleinen Einkommen besonders: Sie bekommen keinen Kita-Platz und können sich die Tagesmutter nicht leisten. „Also müssen die Mütter oft zuhause bleiben“, erklärt Ratazzi-Stoll. Sie fürchtet, dass das Verdoppeln der Kreis-Gelder von einer auf zwei Millionen Euro wieder in der Bürokratie verpufft und „nicht richtig spürbar ist“ für die Eltern. „Auf ihren Schultern wird das Ganze ausgetragen.“
Dabei ist die Vorgabe des Bundes seit Jahren klar: Ab 2013 muss für ein Drittel aller Kleinkinder ein Betreuungsplatz geboten werden. Dass es dafür Personal und viel Geld braucht, daran habe schon der Bund nicht ausreichend gedacht, sagt Gabriele Ratazzi-Stoll. (den)