In der Tradition meiner Familie gibt es einen Lieblingspsalm. Ich erinnere mich: In verzierter Schönschrift stand ein Vers aus Psalm 103 auf einer Holztafel. Die Tafel hing an der Wand unseres Wohnzimmers. Kein Besucher konnte diesen Spruch übersehen: „Lobe den Herrn, meine Seele, und was in mir ist, seinen heiligen Namen! Lobe den Herrn, meine Seele, und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat“ (Ps. 103,1-2).
Der ganze Psalm ist ein Aufruf an das Innerste im Menschen, Gott zu loben und nicht zu vergessen, wie viel Gutes wir bereits in unserem Leben erfahren haben. Das Glück und das Zufriedensein in unserem Leben ist ja ständig durch Krankheiten, durch äußere Belastungen oder ungute Gedanken gefährdet. Wie gut ist es da, dass wir Gott immer und überall um Beistand bitten dürfen. Das gilt, Gott sei Dank, ein Leben lang. Wir werden nicht vermeiden können, dass wir Ungutes, Verletzungen und Krankheiten erfahren. Aber uns wird auch immer wieder geholfen. Wie oft wurden wir wieder gesund, haben Heilung und neues Glück erfahren. Freude und Lebenskraft wurden uns erneut geschenkt. Haben wir dafür gedankt? Haben wir es unserem Gott gedankt? Das Einüben in die Dankbarkeit fängt im Kleinen an. Im Alltag sollen wir die Augen aufmachen und Gottes Güte, die er mir nicht zuletzt durch meine Mitmenschen schenkt, bewusst wahrnehmen. Wann habe ich mich zuletzt bedankt – bei einem Menschen in der Familie, an der Arbeit, im Freundeskreis? Und nicht zuletzt: bedankt bei Gott? Der Psalm 103 will uns aus der Vergesslichkeit befreien: “…und vergiss nicht, was er dir Gutes getan hat.“ Wo können wir da im Aufzählen von Gründen für eine Haltung der Dankbarkeit anfangen? Und wo sollen wir aufhören? Mit dem Dankbarsein anfangen könnten wir beim Wahrnehmen der Schönheit der Natur – mit allen Sinnen. Und fortfahren könnten wir mit dem Ansehen von und Reden mit Menschen, die uns täglich oder hin und wieder einfach gut tun. Und Gott, der Geber aller guten Gaben, sollte am Ende nicht leer ausgehen. Oder, was meinen Sie?
Matthias Gärtner, Pfarrer
Ev. Kirchengemeinde Dortelweil