Bad Vilbel/Karben. Karben auf dem Podest, Bad Vilbel mit einem ernüchternden Ergebnis. Beim Fahrradklima-Test des Allgemeinen Deutschen Fahrrad-Clubs (ADFC) bewerten Radfahrer alle zwei Jahre die Fahrradfreundlichkeit ihrer Stadt. Wie es um die Situation im Wetterauer Süden steht, erklären ADFC-Ortsverbandsvorsitzende Ute Gräber-Seißinger und Sprecher Jochen Waiblinger.
Es ist so etwas wie das inoffizielle Zeugnis für die Fahrradfreundlichkeit einer Stadt. Alle zwei Jahre ruft der ADFC auf, sich am sogenannten Fahrradklima-Test zu beteiligen. Dabei bewerten Radfahrer die Kommunen anhand vieler verschiedener Kriterien. Diese lauten beispielsweise »Oberfläche der Radwege«, »Spaß oder Stress« oder auch »Akzeptanz als Verkehrsteilnehmer«, »Breite der Radwege« und »Führung an Baustellen.«
Austausch
mit dem Bürgermeister
In Bad Vilbel ist dieses Zeugnis in den vergangenen Jahren meist nicht sonderlich positiv ausgefallen. Mit einer 3,9 ist das Ergebnis von 2022 0,4 Punkte schlechter als vor zwei Jahren. Insgesamt 279 Radfahrer haben teilgenommen. Besonders positiv bewertet werden die Punkte »Erreichbarkeit Stadtzentrum«, »Wegweisung für Radfahrer«, während »Ampelschaltungen für Radfahrer« und »Führung an Baustellen« besonders schlecht wegkommen.
Für ADFC-Sprecher Jochen Waiblinger und Ortsverbandsvorsitzende Ute Gräber-Seißinger ist das Ergebnis nur bedingt eine Überraschung. »Natürlich spielen in Bad Vilbel besonders die Baustellen eine Rolle«, sagt Waiblinger. Dafür könne jedoch nicht immer zwingend die Stadt etwas. »Die Kasseler Straße ist die Baustelle der Bahn. Dort ist es momentan einfach sehr schwierig zu fahren. Die Umleitung ist ebenfalls über den gesamten Weg nicht immer gut ausgeschildert. Auch das liegt aber an der Bahn.«
So ein Test sei schließlich auch immer subjektives Empfinden. Dennoch stehe fest, dass es in der Quellenstadt durchaus einige Probleme für Radfahrer gebe. Auf der Frankfurter Straße komme es immer wieder zu Konflikten zwischen Radfahrern, Fußgängern und Autofahrern. »Dort ist das Sicherheitsgefühl nicht wirklich hoch.«
Aber natürlich gebe es auch positive Punkte, wie Waiblinger und Gräber-Seißinger bestätigen. »Der Pappelweg zwischen Karben und Dortelweil ist endlich freigegeben. Das ist eine gute und schnelle Verbindung zwischen beiden Städten«, sagt sie. Außerdem gebe es regelmäßigen Austausch zwischen Bürgermeister Sebastian Wysocki (CDU), der Straßenverkehrsbehörde und eben dem ADFC. »Wir werden nach unserer Meinung gefragt«, sagt Waiblinger. »Der Austausch ist respektvoll und gut. Herr Wysocki weiß, wie Fahrradfahren geht. Das macht es einfacher.«
Im Bad Vilbeler Rathaus weiß man mit dem Test umzugehen. »Für die negativen Punkte kann die Stadt meist wenig«, wie Pressesprecher Yannick Schwander auf Anfrage mitteilt. Fahrraddiebstahl sei ein allgemeines Problem, das man aber beispielsweise durch Codierungsaktionen der Polizei zu bekämpfen versuche. Aber die Stadt sei auch bestrebt, zusätzliche, sichere Abstellmöglichkeiten zu schaffen. »So werden wir in diesem Jahr noch beginnen, weitere 20 abschließbare Fahrradboxen am Bahnhof Bad Vilbel zu installieren. Weitere 17 abschließbare Fahrradboxen mit E-Bike-Lademöglichkeit sind an der Vilco entstanden.«
Schwander: Erklärbare
Verschlechterung
Die Verschlechterung der Note sei auch in großen Teilen der starken Baustellensituation und dem bauzeitlich bedingten Wegfall wichtiger Verbindungen (Niddaradweg) zu nennen. »Wir nehmen so einen Test natürlich wahr, lassen uns davon aber auf unserem Weg, Bad Vilbel fahrradfreundlicher zu gestalten, auch nicht verrückt machen. Vor allem auch deshalb, weil in Bad Vilbel die Bewertung im Vergleich zu den meisten anderen Orten sehr uneinheitlich war.«
In Sachen Radverkehr habe man in Bad Vilbel noch viel vor. »Mit Fertigstellung der Bahnbaustelle auf der Kasseler Straße werden wir auf beiden Fahrbahnen Radfahrstreifen haben und damit eine komfortable Wegeverbindung für Radfahrer.« Zwischen dem Wohngebieten »Im Schleid« und »Quellenpark« soll eine Fußgänger- und Fahrradfahrer-Brücke errichtet werden. Außerdem stehen überörtliche Radverbindungen im Fokus, wie die straßenbegleitenden Radwege an der B 521 zwischen Heilsberg und Bergen oder aber zwischen Gronau und Niederdorfelden an der L 3008 sowie entlang der K 247 zwischen Gronau und Rendel. »Im März haben wir einen Förderantrag bei Hessen Mobil für die Fortschreibung des Radverkehrskonzepts gestellt. Und auch der Niddaradweg zwischen Harheim und Freibad soll bis zum Hessentag ausgebaut sein.«
Besonders groß ist die Freude in Karben. Beim Fahrradklima-Test sicherte sich die Stadt den dritten Platz im Bundesland Hessen. In der Ortsgrößenklasse 20 000 bis 50 000 Einwohner haben nur die Städte Baunatal und Mörfelden-Walldorf besser abgeschnitten. Mit dem Ergebnis mit der Gesamtnote 3,56 ist Karbens Bürgermeister Guido Rahn sehr glücklich. »Radfahren in Karben soll sicher sein und Spaß machen, deswegen sind wir sehr froh, dass der Fahrradklima-Test beweist, dass unsere Bemühungen für alle, die gerne mit dem Rad unterwegs sind, auch ankommen«, sagt er. Vor allem die gute und schnelle Erreichbarkeit des Stadtzentrums (2,3), dass Radfahren für Jung und Alt (2,8) gleichermaßen möglich ist sowie die Breite der Radwege und deren gute Oberfläche (3,2) wurde mit guten Noten belohnt.
Für ADFC-Sprecher Waiblinger ist das positive Ergebnis keine Überraschung. Er sagt: »In Karben ist wirklich viel passiert. Die Aufmerksamkeit der Politik und Öffentlichkeit ist da. Das merkt man.«
Große Straßen
vermeiden
Am Nidderuferweg habe sich in den vergangenen Jahren einiges getan – besonders im Zuge der Renaturierung. »Es sind tolle Wege und auch schöne Rastplätze entstanden. Diese werden auch gut angenommen.«
Viele weitere Punkte, die beispielsweise in Bad Vilbel negativ bewertet würden, gebe es in Karben nicht. Eine richtige Stadtmitte und Verkehrsachsen wie die Frankfurter oder Kasseler Straße beispielsweise. Waiblinger sagt: »In Karben fällt es viel leichter, große Straßen zu vermeiden.«
Für die Zukunft würde er sich wünschen, dass alle Parteien mehr miteinander reden und Rücksicht aufeinander nehmen. »Auch der Radfahrer muss wissen, dass es noch andere Interessen gibt.« Waiblinger hofft, dass die Politik weiterhin die Wünsche und Sorgen des ADFC mitaufnehmen und darüber nachdenke. »Nicht immer ist es schließlich der böse Wille bei Entscheidungen, sondern mangelnde Kenntnis.«
Von Patrick Eickhoff
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