„Die teuerste Bibliothek des Landes“ hat der Deutsche Bibliotheksverband einmal Bad Vilbels Mediathek genannt. Im Spiel waren damals 7,2 Millionen Baukosten. An der Einschätzung dürfte sich wenig geändert haben. Ein Jahr ist das Bauwerk nun alt – und das Wahrzeichen der Quellenstadt erfreut sich gewaltigen Zuspruchs.
Bad Vilbel. Es wurde am Samstag kein großes Aufhebens um das Bibliotheksjubiläum gemacht. Ein Bilderbuchkino für Kinder flackerte über die Leinwand. Zehn Menschen konnten sich den Leseausweis für ein Jahr schenken lassen. Der Kinderansturm ließ auf sich warten, die ersten Interessenten am Leseausweis hatten ihn ursprünglich selbst bezahlen wollen und waren von dem Gratisangebot überrascht. Der Bürgermeister hielt keine Rede. Kein großes Fest.
Das musste auch nicht sein, denn der Ansturm auf die Mediathek ist auch so gewaltig. Fast 140 000 Besucher wurden bis Mitte Oktober gezählt. 6000 Personen haben einen Bibliotheksausweis für zwölf Euro pro Jahr erworben. In einem Jahr wurden fast 2500 Ausweise neu ausgegeben. Mehr als 280 000 Medien wurden ausgegeben, fast 9000 Medien neu angeschafft. Kinder leihen bei weitem am meisten aus. „Volta und die Seele der Roboter“ ist mit 54 Ausleihen bisher der Topseller, gefolgt von „Leben für den Frieden“, ein Portrait von 13 bedeutenden Leuten, steht schon auf Platz zwei der Kinderfavoriten. Kaum weniger beliebt sind Spielfilme auf DVD. Die finanziellen Probleme von „Michael Clayton“ belegt mit 43 Ausleihen Platz eins und „Im Tal des Fuchses“ von Charlotte Link steht schon auf Platz zwei der Filme. Auch Autorin Nele Neuhaus auf Platz drei hat mit „Mordsfreunde“ einen Spitzenplatz. Aber alles in allem: Kinderbücher und DVDs dominieren. Die Stadtbibliothek hat sich im Laufe ihres ersten Jahres gründlich mit anderen Bibliotheken vernetzt. Online zugeschaltet sind praktisch alle Stadtbüchereien der Umgebung, wie auch die bedeutenden in Marburg oder Wiesbaden. 79 sind es derzeit. Wie Clarissa Schultze als Online-Spezialistin sagt, sind somit nicht weniger als 84 500 Medien am Bad Vilbeler Terminal verfügbar. Die Quellenstadt steuert ihrerseits 1600 Hörbücher, CDs und Romane bei.
Kinderfreundlichkeit
Bücher, die schon deutliche Gebrauchsspuren zeigen, werden aussortiert, Bücher, die in einem längeren Zeitraum überhaupt nicht geordert werden, ebenfalls. Angeschafft werden Medien, die „angesagt“ sind, bevorzugt aus dem regionalen Angebot. Die Vorschläge der Firma EKZ werden genau studiert. Die Spiele, die auch schon für die nagelneue, begehrte Playstation 4 geeignet sind, werden vor der Anschaffung auf Kinderfreundlichkeit geprüft. Genommen werden nur Spiele, die von der USK, der „Unterhaltungssoftware- Selbstkontrolle“ freigegeben wurden. Das Bibliotheksleben vollzieht sich großenteils in ruhigen Bahnen. Die Nutzer haben sich nach Angaben von Clarissa Schultze inzwischen an das automatisierte Buchungsverfahren gewöhnt. Sie selbst kann die Bedienungsanleitung für die Online-Ausleihe im Schlaf hersagen.
Nachfolger gesucht
Das hat sie anfangs hunderte Mal vortragen müssen. Inzwischen kommen die meisten klar damit. Auch habe es keinen neuen Wassereinbruch gegeben, weiß die kommissarische Bibliotheksleiterin Bettina Hoppmann-Schrader zu berichten. Ein einziger Stromausfall blieb ohne nachhaltige Folgen.
Gravierender ist dann schon, dass der Bibliothek im April Susanne Adolph abhanden kam – eine erfahrene Expertin. Sie hatte den Umzug aus dem Hallenbad-Untergeschoss entscheidend mitorganisiert und eine hochmoderne Hard- und Software-Struktur eingerichtet, sich dann aber nach eigenen Angaben wegen Differenzen mit Kulturamtsleiter Claus Kunzmann von der Mediathek verabschiedet.
Nachfolger sollen sich inzwischen zu Hauf auf die Ausschreibung gemeldet haben. Namen werden nicht öffentlich gehandelt: Vor Januar wird es wohl auch keine Einstellung geben. Bad Vilbel braucht dafür nämlich zuerst einen genehmigten Haushalt.