Am Gronauer Niddaknie kann man schon seit 18 Jahren die Erfolge der Renaturierung beobachten. Nun soll mit einem 600 Meter langen Lückenschluss auch das gegenüberliegende Rendeler Ufer seinen natürlichen Verlauf entwickeln. In der nächsten Wochen starten die Bauarbeiten.
Karben. Die Stelle ist so recht nach dem Geschmack von Gottfried Lehr. Gerade erst hat er das charakteristische Fiepen des Eisvogels gehört. Nun zückt der Gewässerökologe sein Smartphone, um die Nidda am bereits 1999 neu gestalteten Niddaknie bei Gronau für seine Internetseite zu filmen. Allerdings am anderen, dem Rendeler Ufer. Dort soll der letzte Lückenschluss dafür sorgen, dass der Fluss von Karben bis Dortelweil auf einer Länge von sieben Kilometern komplett renaturiert ist.
Auf einem Acker am Ufer stehen schon zwei Bagger bereit. Es fehlt zwar noch die wasserrechtliche Genehmigung der oberen Naturschutzbehörde des Regierungspräsidiums, aber das ist für Lehr eine reine Formsache. Denn ein Grund für den Erfolg der bisherigen Renaturierungen sei auch die enge Kooperation mit den Behörden – und dem Geldgeber, der Gerty-Strohm-Stiftung von Hansgeorg Jehner, die wieder mit einem ungenannten Beitrag die Finanzierung übernimmt.
Die Planungen haben erst im März begonnen, dass es nun schon losgeht, zeige, wie gut die Kooperation mit den Aufsichtsbehörden klappe, findet Lehr. Wenn das Wetter mitspielt, soll bis Weihnachten alles erledigt sein.
Allerdings kann immer noch etwas dazwischen kommen, so wie bei der Niddarenaturierung in Ilbenstadt, die Lehr auch betreut. Dort sind bei den Bauarbeiten Knochen einer alten römischen Siedlung aufgetaucht. Nun soll untersucht werden, ob dort möglicherweise früher ein römisches Kastell gestanden hat.
Neue Uferformation
Die Archäologen werden auch bei Rendel am Anfang mit dabei sein, doch mit Funden rechnet Lehr dort nicht. Wenn er auf den Fluss blickt, kommt er rasch ins Schwärmen angesichts der Unterschiede zu der noch kanalisierten Nidda unterhalb Karbens, wo die Stadt im Februar oder März ebenfalls renaturieren will.
Am Niddaknie, wo alles anfing, hat der Fluss sich seine eigene Landschaft gestaltet. Biber haben Bäume gefällt, die neue Uferformationen schaffen. Kiesbänke sind zu Inseln geworden, haben das Gewässer umgeleitet. Die Strömungsenergie, die sich in der Flusskurve ansammelt, soll nun auch auf der Rendeler Seite neue Landschaften schaffen, dem Fluss die Möglichkeit geben, sich auszuweiten. Uferaufbrüche, Flach- und Tiefwasserzonen, Kiesbänke, von Bibern gefällte Bäume, die das Ufer ausweiten – alles ist möglich.
Ein erster Schritt ist an der Baustelle schon vollzogen. Entlang der 600 Meter langen Renaturierungszone zwischen dem Einlauf des Mühlbachs bis zum Niddaknie wurden bereits Gehölzer entfernt – aber nicht alle. Einige bleiben stehen. Die Weiden werden zurückgeschnitten und mitsamt Wurzelstock verlegt. Das wurde bereits mit Erfolg am Erlenbach so gehandhabt. Eigentlich sei die Renaturierung nur eine Startmaßnahme, damit der Fluss wieder sein eigener Landschaftsarchitekt werden könne.
Bei der Renaturierung geht es hauptsächlich um die Entfestigung des Flussufers. Die dort reichlich verlegten Steine werden entfernt und im Fluss verlegt, damit sie dort die bislang kanalisierte Strömung umleiten. Die Nidda soll von jetzt acht bis zehn Metern Breite künftig vier bis zehn Meter zusätzlich bekommen. Dafür wird der bisherige, vier Meter hohe Damm um 150 bis 200 Meter zurückverlegt „und etwas kräftiger gebaut“, so Lehr. Das Gebiet um das Ufer wird mit Wildsaatgut eingesät, eine Maßnahme gegen das Insektensterben. Die Nidda hat dann mindestens doppelt so viel Platz wie heute, freut sich Gottfried Lehr. Nur an einer Stelle bleibt das bisherige Ufer erhalten, weil dort Gasleitungen verlegt sind.
Mit Gewässerökologen Lehr findet die Nidda inzwischen auch international Beachtung. So ist er zu einer Tagung in die Schweiz eingeladen, wo er den Wetterauer Fluss als Vorbild für die naturnahe Umgestaltung vorstellt. Durch die Kiesbänke finden auch Fische wieder neue Laichgebiete.
Zu sehen sein wird die neue Nidda vor allem vom Gronauer Ufer aus, wo der Radweg dicht am Ufer verläuft. Auf der anderen Seite gibt es auch künftig keine Wege, „das ist Naturschutzgebiet“, sagt Lehr. Nur weiter hinten verläuft ein Feldweg.