Von Hanna von Prosch
Bad Vilbel. Wenn Wolfgang Diefenbach am kommenden Samstag auf der Bühne der Burg in Bad Vilbel das Landes-Jugend-Jazz-Orchester (LJJO) »Kicks &Sticks« dirigiert, hat er bereits ein Erbe im Gepäck, das ihn sehr glücklich macht: 200 Arrangements des am 2. Juli im Alter von 90 Jahren gestorbenen Blues- und Schlagersängers Bill Ramsey. Sie verband persönlich eine lange Musikfreundschaft und engagierte gemeinsame Jahre mit dem LJJO.
»Wenn Bill bei den Proben auf die Bühne kam, erzählte er zuerst einen Witz, über den er selbst herzlich lachte und alle anderen mitriss. Und er hatte eine Menge Witze auf Lager. Er war einfach ein clownesker Typ.« Wolfgang Diefenbach erinnert sich im Gespräch an viele nette Episoden. Vor allem aber an seine große Bluesstimme, die vielen unbekannt blieb. Denn der Nachkriegsgeneration kommen Titel in den Sinn wie »Pigalle«, »Souvenirs«, »Die Zuckerpuppe« oder »Ohne Krimi geht die Mimi nie ins Bett«. Die humoristischen Schlager waren aber ein Zufallsprodukt, das dem ehemaligen GI in den 50er bis 70er Jahren Popularität brachte, ihn aber auch mit einem Stempel versah.
Swing war eigentlich seine Musik von klein auf, denn das schwarze Kindermädchen sang ihn mit Blues in den Schlaf. Lange bevor Diefenbach das LJJO und »Kicks&Sticks Voices« gründete, kannte er Ramsey durch andere Big Bands. Als dieser 1985 von Zürich nach Wiesbaden gezogen war, und das LJJO seinen ersten Auftritt plante, sprach er ihn an: »Lieber Bill, wir hätten Lust ein Konzert mit Dir zu machen.« Diefenbach: »Ich werde nie vergessen als er kam, uns bei den Proben hörte und ausrief, ›What is this? A Youthband?‹. Er war total begeistert. Normalerweise arbeitete er mit Profis in Radio-Big-Bands.« Es begann eine lange, fruchtbare Zusammenarbeit.
Doch auch damals kannte die junge Generation Ramsey nur von den witzigen Schlagertiteln her und etliche Joungster waren skeptisch: »Was macht denn der jetzt hier«, hieß es, bis sie sein Standing als Jazzsänger erkannten. »Mir war immer wichtig, dass sie ihn respektierten, wenn auch nicht alle voll auf ihn abfuhren«, sagt Diefenbach. Schließlich stand Ramsey zu beiden Seiten seiner musikalischen Medaille. Er hatte zunächst geglaubt, dass er, wenn er nur gut im Jazz sei, genauso punkten könne wie im Schlager. »In Amerika wäre das selbstverständlich. In Deutschland funktionierte das nicht. Die Amerikaner verstehen auch unseren Purismus am Jazz nicht«, erklärt Diefenbach.
Bill Ramsey leitet Förderverein
Das erst zweite Konzert von »Kicks&Sticks« und das erste mit Bill, damals in Taunusstein, wurde zum Riesenerfolg. Doch die junge Band stand auf finanziell wackeligen Füßen. Es gab noch keine staatliche Förderung. Da setzte sich Ramsey mit seinen weitreichenden Verbindungen ein, schaffte Sponsoren heran, arrangierte Auftritte. Zehn Jahre lang war er ein sehr engagierter Präsident des damaligen Fördervereins. Dadurch konnte sich die Band Top-Arrangeure leisten und 1988 die erste CD von vielen in einem der besten Studios produzieren. Sie erhielt auf Anhieb den Preis der deutschen Schallplattenkritik.
Bei CD-Produktionen und zahlreichen Auftritten war Ramsey als Sänger beteiligt. Auch 2016, als er im Rollstuhl singend mit dem LJJO den Festakt zum 70. Landesjubiläum begleitete. Diefenbach erinnert sich lebhaft: »Im Interview erzählte er frech, es gehe ihm gut, aber er sei gerade auf die Schnauze geflogen, worauf ich konterte: Die Schnauze kann aber noch gut singen.«
Sein Leben lang habe Ramsey seinen Swing- und Blues-Stil hochkarätig gepflegt. Er habe ein Vermögen für internationale Spitzen-Arrangeure ausgegeben und das Notenmaterial streng gehütet. »Selbst ich durfte es ohne ihn als Solisten nicht verwenden«, bemerkt Diefenbach. Da war er schon erstaunt, als er hörte, dass Ramsey eines Tages so begeistert von einer jungen Stimme war, dass er den jungen Mann aufforderte, zwei seiner Titel zu singen. Der junge Jazz-Sänger war Christopher Klassen, hervorgegangen aus den »Kicks&Sticks Voices«. Er, dessen Familie in Bad Vilbel wohnt, wird nun auch im Konzert für ihn singen. Das Programm unter dem Titel »Swing ist King« ist also eine große Hommage an Bill Ramsey, dem das LJJO über rund sechs Musikgenerationen und durch das Notenerbe auch in Zukunft viel zu verdanken hat.
The Great American Songbook
»Swing is King – The Great American Songbook«: So lautete der Titel des Konzerts, das am 18. September um 20 Uhr bei den Bad Vilbeler Burgfestspielen gegeben wird. Titel von Jazzlegenden wie Duke Ellington, Benny Goodman, Glenn Miller und Hoagy Carmichael stehen auf dem Programm. Das Konzert ist eine Hommage an Bill Ramsey mit Stücken, die für ihn und für das LJJO geschrieben wurden. Es gelten die tagesaktuellen Corona-Regeln der Burgfestspiele.
Das Landes-Jugend-Jazz-Orchester Hessen um Wolfgang Diefenbach ist eine der renommiertesten Nachwuchs-Big-Bands Deutschlands.
Bill Ramsey (r.) und Wolfgang Diefenbach verbindet eine lange musikalische Freundschaft. Bei der Geburtstagsparty zu 70 Jahre Hessen am 30. 11. 2016 im Kurhaus Wiesbaden sind sie mit dem Landes-Jugend-Jazz-Orchester aufgetreten.
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