Süßer die Glocken nie klingen als von einem CD-Spieler. Das Läuten über Karbens größter Kirche ertönt aus einer Anlage und erfreut sich dennoch großer Beliebtheit bei Pfarrer Bernd Schirmer.
Karben. Elf Minuten dauert die Aufnahme auf der CD in der Sakristei der katholischen St.-Bonifatius-Kirche in Klein-Karben. Unscheinbar hinter einer Tür in der Kirche gelegen steht die große Anlage, in der die Scheibe vor jedem Gottesdienst ihre Runden dreht, um die Gemeinde zur Messe zu laden.
„Das gehört zu unserer Kirche“,erzählt Pfarrer Bernd Schirmer. Als er 1996 die katholische Gemeinde in Klein-Karben übernahm, wurden die Glocken noch von einem Tonband gespielt. Seit 15 Jahren ist es eine CD. Echte Glocken seien hingegen nie geplant gewesen, erklärt Schirmer. „Statisch würde das nicht funktionieren.“
Damit füge sich die Kirche, zu der 1974 der Grundstein gelegt wurde, in den damaligen Zeitgeist ein. Nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil in den 60ern habe man sich auf Bescheidenheit besonnen. Der Verzicht auf Symbolik habe im Vordergrund gestanden. So sei vom Architekten anfänglich nicht einmal ein Kirchturm geplant gewesen, das Diözesanbauamt intervenierte jedoch, da die Kirche sonst wie eine Sporthalle aussähe.
„Als ich anfänglich hier war, gab es noch Bestrebungen, eine echte Glocke anzuschaffen“, erinnert sich Schirmer, inzwischen sei dies jedoch kein Thema mehr. „Das hat keinen Stellenwert in der Gemeinde, zumal zu der Kirche Ortsteile gehören, die ohnehin nie das Geläut hören würden“, sagt der Pfarrer. So spielt die Kirche ihre Glocken nur vor einem Gottesdienst ab und nicht, wie üblich, um neun, zwölf und 18 Uhr.
Stille, die Pfarrer Schirmer zu schätzen weiß. „Andernorts ist das nicht unumstritten mit dem Läuten, ich bin froh wie das hier gelöst ist.“ Was ihn jedoch stört, ist der abrupte Anfang und das ebenso plötzliche Ende ohne sanften Einstieg und Ausklang. Wo genau das Geläut einst aufgezeichnet wurde, kann er nicht sagen: „Die hat ein ehemaliger Kameramann vom ZDF aus dem Archiv besorgt“, berichtet Schirmer. Die vorherige Tonbandaufnahme sei in Hain bei Fulda aufgezeichnet worden.
Stumm durch Tauben
Die Anlage, die den Ton an die großen Boxen hinter den Lamellen im Turm schickt, ist so alt wie die Kirche selbst. Entsprechend groß war der Schreck, als im Oktober plötzlich das Läuten verstummte. Doch der Fehler konnte behoben werden. Tauben hatten die Lüsterklemmen an den Boxen beschädigt. Nun wurden diese durch stabilere Anschlüsse ersetzt.
Das Läuten aus der Konserve ist nicht die einzige Besonderheit des modernen, sakralen Baus am Karbener Weg. Auch die Nord-Süd-Ausrichtung ist für eine katholische Kirche ungewöhnlich. „Bei dieser Kirche merkt man, dass sie einer Baulücke angepasst wurde“, schildert Bernd Schirmer.
Doch gerade aufgrund ihrer geringen Traditionalität passe sie zu den Menschen, die sie besuchen würden, erläutert der Geistliche: „Die Gemeinde wurde neu gegründet, Zu- und Wegzug sind hier das bestimmende Thema.“ Doch für alle sei die Kirche ein Ort der Kontinuität, eben mit einem ganz besonderen Glockenklang. (rin)