Schöneck. Wetterauer Landwirte können aufatmen: Die im Dezember geschlossene Thylmann-Mühle in Kilianstädten bleibt Anlaufstelle für Weizen, Gerste und Co. Schon zur Ernte in wenigen Wochen rollen die Fuhrwerke an. Der Friedberger Agrarhandel Sauer hat den Standort übernommen. Gemahlen wird aber nicht mehr.
Die vergangenen Monate und Jahre waren für das traditionsreiche Familienunternehmen Frese mit ihrer Thylmann-Getreidemühle in Kilianstädten turbulent. Erst war das Unternehmen mit seinen zuletzt 40 Arbeitskräften und einem Umschlag von rund 80 000 Tonnen Getreide pro Jahr wegen vermeintlicher Preisabsprache in den Fokus des Kartellamtes geraten. Mit der Folge, dass im vergangenen Jahr der reine Mühlenbetrieb zum Verkauf angeboten wurde, allerdings ohne die Grundstücke und ohne die Gebäude. Dann zeigte der Käufer, die Kilianstädter Mühlen GmbH, die über den Geschäftsführer Martin Bindewald mit der Karl Bindewald Kupfermühle im rheinland-pfälzischen Bischheim verbunden ist, nur wenig Ausdauer und schloss die den Betrieb nach fünf Monaten.
Sehr zum Ärger der Landwirte aus der Region. Für sie hieß es: Neue Absatzwege für ihr Getreide suchen. Wegen fehlender Alternativen drohten lange Wege nach Frankfurt oder Hanau. Der Regionalbauernverband Wetterauer/Frankfurt und der Bauernverband Main-Kinzig nahmen sich des Themas an. Die losen Fäden wurden neu verwoben. Kontakt zur Familie Frese, der das Areal der Mühle weiterhin gehört, geknüpft.
Bauernverbandsidee
»Wir haben in einem Gespräch das Aus für die Mühle bedauert und der Eigentümerfamilie Vorschläge gemacht, wie es weitergehen könnte«, sagt Florian Dangel, Geschäftsführer des Regionalbauernverbandes. Es sei zu einer Ideensammlung gekommen. »Uns ging es darum die Infrastruktur für die Landwirtschaft zu erhalten«, erklärt er.
Dabei hätten die Landwirte verschiedene Agrarhändler vorgeschlagen, die die Gebäude nutzen könnten. Der Agrarhandel Sauer in Friedberg sei auch vorgeschlagen worden. Sauer handelt und transportiert seit fast zwei Jahrzehnten Getreide, Futtermittel, Dünge- und Pflanzenschutzmittel, Saatgut für Landwirtschaft und Jagdreviere, landwirtschaftlichen Bedarf, Gartenbedarf und Brennstoffe.
»Unsere Lagermöglichkeiten in Friedberg am Güterbahnhof und an unserem zweiten Standort in Wehrheim sind einfach zu klein geworden. Deshalb kam uns die Anlage hier in Kilianstädten gerade recht«, sagt Geschäftsführer Frank Linkenbach. Seine Firma hat zum 1. Mai die Silos der bisherigen Thylmann-Mühle übernommen. »Kilianstädten ist nun unser drittes Standbein, an dem die Landwirte aus der Region wieder ihr Getreide abliefern können«, erklärt Linkenbach. Weizen, Braugerste, Raps und Co werden in Kilianstädten angenommen und gelagert, aber nicht gemahlen. Später verkauft es das Unternehmen an Getreidemühlen weiter. 17 Mitarbeiter beschäftigt die Friedberger Firma. In Kilianstädten kommen jetzt noch einmal dauerhaft eineinhalb Stellen hinzu sowie in der Erntezeit noch einige Aushilfen.
Umschlagplatz
»Leider haben so nur zwei unsere ehemaligen Mitarbeiter ihre Arbeitsstelle behalten können«, bedauert Michael Frese. An ihm und seiner Familie sei das Geschehen um die Thylmann-Mühle nicht spurlos vorübergegangen.
Auch wenn der größte Teil der Arbeitsplätze weder durch den Verkauf des Mühlenbetriebes, noch durch die Verpachtung der Getreidesilos an den Agrarhandel gerettet werden konnte, so bleibt der Standort Kilianstädten zumindest als Getreideumschlagplatz erhalten und diene damit den Landwirten in der Region. »Die Landwirte haben jetzt wieder die Möglichkeit, ihre Getreideernte, direkt in der Erntezeit oder aber auch das ganze Jahr über an uns zu verkaufen und es bei uns abzuliefern«, sichert Linkenbach zu.
»Das ist eine super Sache für die Landwirtschaft«, sagt Dangel vom Bauernverband. Gerade für kleinere Betriebe und Nebenerwerbslandwirte sei es wichtig, direkt in der Ernte einen Abnehmer anzufahren. »Landwirtschaft kann in der Region nur gestärkt werden, wenn es ein Miteinander auch mit dem Handel gibt.«
Von Jürgen W. Niehoff und Ines Dauernheim
Lagerkapazität
Der Agrarhandel Sauer aus Friedberg hat in der ehemaligen Thylmann Mühle seit Anfang Juni den Betrieb aufgenommen. Landwirte haben die Möglichkeit neben Weizen und Roggen wie bisher, auch Gerste, Hafer und Braugerste anzuliefern. Durch insgesamt etwa 7500 Tonnen Lagerkapazität und modernste Technik sei eine zügige Abwicklung der einzelnen Partien gewährleistet. Eine Einlagerung und spätere Vermarktung der angelieferten Ware ist ebenfalls möglich. (jwn)