Der Mann hielt sich für Gott höchstpersönlich. Unzufrieden sei er mit der Schöpfung, er wolle die Welt wieder zerstören. In der Psychiatrie der Frankfurter Universität wurde Seelsorger Werner Krieg mit einem an Schizophrenie erkrankten Patienten konfrontiert.
Bad Vilbel. Der redegewandte Menschenflüsterer antwortete: „Denken Sie noch einmal darüber nach. Gott hat sich doch so viel Mühe gegeben . . .“ Das wirkte. Man kann nun ulken: Ein Mann, der ein Leben lang den ganz und gar nicht zu ihm passenden Namen Krieg tragen muss, hat die Welt noch mal gerettet. Jetzt scheidet er als Massenheimer evangelischer Pfarrer aus dem Amt.
Vier Jahre, ab 1999, währte die den Pfarrer ebenso belastende wie fordernde Seelsorge an geistig und seelisch Erkrankten, denen es „egal ist, wer ich bin und was ich bin. Am wichtigsten ist, dass ich Menschen zuhöre. Menschlichkeit ist notwendiger als jede Kommunikationstheorie.“ Diese Episode seines Lebens war für ihn „spannend und ungeheuer sinnvoll.“ Aber es zog ihn wieder zurück in „seine“ Pfarrei Massenheim. Dort hatte er bereits von 1977 bis 1987 gepredigt und mit den Menschen gelebt, gelitten und seine Ehe mit Dorothee geschlossen. Drei ihrer vier Kinder erblickten hier das Licht der Welt. Hier lebte er auch „die ganze Breite des Pfarrerdaseins“, das er mit größtem Ernst bis heute pflegte.
Die Nähe zu den Menschen hatte ihm nach und nach gefehlt, als er 1987 die verantwortungsvolle Stelle eines Geschäftsführers des Diakonischen Werks in Frankfurt im Bereich Ökumenische Diakonie annahm und in der Nachfolge von Pfarrer Friedrich Weissinger, seinem Schwiegervater, die Verantwortung unter anderen für die kirchliche Aktion „Brot für die Welt“ übernahm. Werner Krieg trug die Verantwortung für große Summen Geldes, für mehr als 80 Bedienstete. Aber „das war hier nur noch Management.“ Er wollte zu den Menschen und gab den Job auf. Verantwortung wurde dem am 11. Januar 1949 in Sachsenhausen in einfachen Verhältnissen geborenen stattlichen Mannsbild mit dem unvermeidlichen inzwischen ergrauten Bartschmuck gern anvertraut.
Pfarrer und nichts anderes hatte er schon als kleiner Junge werden wollen. Der Vater war früh gestorben, die Mutter zog in ein Hochhaus des sozialen Wohnungsbaus ins Frankfurter Westend um und heiratete erneut. Mit Claus-Jochen Herrmann bekam Werner einen Halbbruder. Der ist heute bundesweit bekannt als Gründer des Pfarrerkabaretts. Kriegs Fröhlichkeit und Humor scheinen genetisch bedingt – wie er mit Gesang zur Gitarre und in der Bütt beim alljährlichen Fasching im katholischen Gemeindehaus immer wieder bewies. Tatkraft zeichnete den jungen Werner Krieg Ende der 60er Jahre aus. Im Revoluzzeroutfit organisierte er für „action medico“, Vorläufer von Medico International, von Frankfurt aus Transporte medizinischer Hilfsmittel und Medikamente zu den Vietkong oder nach Bangladesh, in Erdbebengebiete, in Krisengebiete wie Angola oder in die Sahelzone zu den Ärmsten der Armen. „Nebenher“, sagt er, studierte er in Bonn und Marburg Theologie.
Viel geleistet
Pfarrer Krieg hat in seiner ersten Massenheimer Dekade vieles auf die Beine gestellt, wie insbesondere den ersten großen Ausbau des Gemeindezentrums in der Hainstraße, den Bau des Pfarrhauses direkt neben der Kirche. Die Zusammenarbeit mit der katholischen Kirche war ihm eine Herzensangelegenheit. In seiner zweiten Massenheimer Zeit konnte er ernten. Es wurde ihm viel Vertrauen entgegengebracht. Er konzentrierte sich, wiederum ganz „Menschenflüsterer“, auf intensive, vertrauensvolle Gespräche. Wie vernetzt er mit dem Dorf war zeigt vielleicht eine Zahl: Er hat allein in Massenheim mehr als 350 Beerdigungen und noch mehr Taufen durchgeführt. Insgesamt waren es mehr als tausend Beerdigungen. „Ich habe ein paar Sachen versucht und sie sind mit Gottes Hilfe gelungen“, sagt er und erwähnt besonders die enge Zusammenarbeit mit Kantorin Eva Broske. Jetzt „zieht er seiner Straßen fröhlich“ – wie er als Motto zu seiner Verabschiedung am Sonntag (11. Mai) um 14 Uhr in seiner Kirche gewählt hat.