Bad Vilbel/Hessen. Am Montag hatten vier hessische SPD-Landtagsabgeordnete, Dagmar Metzger, Silke Tesch, Carmen Everts und der Friedberger Jürgen Walter, mit offenem Visier und vor der Geheimabstimmung mutig erklärt, dass sie die Bildung einer rot-grünen Minderheitsregierung mit Hilfe der Stimmen der Linkspartei nicht mittragen wollten. Damit hatte Ypsilanti keine Mehrheit für die Wahl zur Ministerpräsidentin. Nach Absage der Wahl bemühen sich die Parteien um einen Ausweg aus der politischen Pattsituation. Die Zeichen stehen auf Neuwahlen.
Die Grünen erhoben am Dienstag schwere Vorwürfe gegen den verhinderten Koalitionspartner SPD und deren schwache Führung und sprachen sich für vorgezogene Neuwahlen aus.
Der FDP-Landeschef Jörg-Uwe Hahn (Bad Vilbel) kündigte eine weniger strikte Koalitionsaussage seiner Partei an. „Wir müssen einfach zur Kenntnis nehmen, dass es möglicherweise ein Parlament mit fünf Fraktionen gibt. Da muss man auch als FDP etwas beweglicher sein“, sagte er. Für ihn käme auch die SPD als sofortiger Gesprächspartner in Frage, vorausgesetzt sie erneuere sich, sagte Hahn. „Eine autoritär geführte, auf eine Person fixierte und ideologisch leicht verblendete SPD ist kein Gesprächspartner. Aber mit einer SPD, die sich wieder daran erinnert, dass Hessen ein Land der Mitte ist, mit starker Infrastruktur und weltoffener Gesinnung, sind sofort politische Gestaltungsgespräche möglich“, sagte er.
Die SPD äußerte sich vorerst nicht zu möglichen Neuwahlen und diskutierte stattdessen personelle Konsequenzen.
Der geschäftsführende hessische Ministerpräsident Roland Koch (CDU) trat am Montag staatsmännisch auf und hat „großen persönlichen Respekt“ vor den vier Abweichlern in der SPD-Fraktion bekundet. Er habe sich in den vergangenen Monaten immer den Optimismus bewahrt, „dass ein Wortbruch nicht Bestand haben kann“, sagte Koch am Montag in Wiesbaden und fügte hinzu: Über die grundsätzliche Entscheidung sei er „nicht traurig“, die sei aber auch „kein Tag für Freudentaumel oder Häme“.
Die als hessische Kultusministerin vorgesehene Grünen-Politikerin Priska Hinz sagte: „Mit der SPD ist auf absehbare Zeit kein Regierungswechsel machbar.“ Nach dem Chaos in der SPD müssten jetzt die Wähler über den weiteren Kurs in Hessen entscheiden. Eine Koalition mit CDU und FDP als Alternative lehnte Hinz ab.
Der stellvertretende Linksparteichef Klaus Ernst warf den vier SPD-Dissidenten „Wahlbetrug erster Klasse“ vor.
Auch im Ausland sorgte die Hessen-SPD mit ihrem „Zickzackkurs“ für Schlagzeilen. Nach Meinung der liberalen Wiener Zeitung „Der Standard“ hilft das Scheitern von Andrea Ypsilanti vermutlich der Bundes-SPD im nächsten Wahlkampf. Das Blatt schreibt am Dienstag: „Andrea ,Dilettanti’, wie sie in Hessen genannt wird, taugt nicht zur Märtyrerin. Nur vordergründig scheiterte sie an den Dissidenten, in Wirklichkeit aber an sich selbst. Zu groß war ihre Gier nach Macht, der alles andere untergeordnet wurde und die sie nicht mehr sehen ließ, dass viele ihrem Kurs nicht folgen wollten. Zuerst verteufelte sie die Linken, dann wurden sie von ihr umgarnt“. Das Entsetzen der Bundes-SPD über Ypsilantis „Hessen-Harakiri“, so der „Standard“, sei echt, „dennoch kann SPD-Chef Franz Müntefering aufatmen: Jetzt, wo in Hessen das von ihm ohnehin missbilligte linke Experiment nicht stattfindet, ist der Bundestagswahlkampf der SPD weniger belastet.“ (dpa/sam)