Karbens Einwohner müssen in nächster Zeit keine Straßenbeiträge zahlen. Die Stadt wird sich per Klage dagegen wehren, dass Landrat Joachim Arnold (SPD) das Abkassieren angeordnet hat.
Karben. „Diese rechtliche Frage ist etwas für Liebhaber“, räumt Grünen-Fraktionschef Mario Schäfer ein. Für die Details hat er Recht, aber grundsätzlich geht das Problem jeden Einwohner in Karben an – denn es geht ans Portemonnaie. Die Stadt durfte ihre Straßenbeiträge nicht streichen, sondern müsse diese von den Bürgern kassieren, fordert Landrat Joachim Arnold (SPD) als oberster Kommunalaufseher. Denn die Stadt wirtschafte ja im Minus. So stehe es im Gesetz. Den Beschluss der Parlaments vom März, die Beiträge abzuschaffen, hat der Landrat deshalb kassiert.
Das Parlament hat in ihrer jüngsten Sitzung der Entscheidung des Landrats widersprochen. Nun muss sich das Verwaltungsgericht in Gießen damit befassen. Bürgermeister Guido Rahn (CDU) ist zuversichtlich zu gewinnen: „Unser Haushalt ist nicht dauerhaft defizitär.“ Laut Erlass von Hessens Innenminister sei es daher Sache der Stadt, ob sie Straßenbeiträge kassiere. Der Landrat handele unrecht, wenn er das nicht berücksichtige – entgegen der Vorgaben des Innenministers.
Von 1988 bis 2007 gab es in der Stadt bereits Straßenbeiträge – nur wurden sie den Anliegern nie berechnet, wenn die Straße vor ihrem Grundstück saniert wurde. 2013 wurde der Beitrag erneut eingeführt als Teil des Sparpakets, damit die Stadt unter den Rettungsschirm des Landes schlüpfen und 16 Millionen Euro Altschulden loswerden konnte. Zur Kasse wurden die Bürger erneut nicht gebeten.
Bis zum Gerichtsurteil wird es die Straßenbeiträge nun weiter geben, aber die Anlieger müssen immer noch nicht zahlen. „Es stehen in diesem Jahr keine grundhaften Sanierungen an, die dafür infrage käme“, erklärt der Bürgermeister.
Suche nach Kompromiss
Den Grünen ist die Klage aber zu gewagt: Verliere die Stadt, müsse sie Straßenbeiträge kassieren. Dann könnten „uns die Bürger aufs Dach steigen“, warnt Fraktionschef Schäfer. Er komme, wenn er alle rechtlichen Vorgaben bewerte, nicht zu dem Ergebnis, dass die Stadt auf Straßenbeiträge verzichten könne. Erst müsse sie alle Einnahmemöglichkeiten ausschöpfen, bevor sie Steuergeld für Straßen einsetze. Genau das aber geschehe.
Als „konstruktiven Weg“ schlägt Mario Schäfer vor, nicht zu klagen und die Grundsteuer in dem Maß zu senken, wie die Bürger Straßenbeiträge zahlen müssten. Wobei sich das nächste Problem auftut: Man dürfe „nicht einzelne Anlieger mit hohen Einzelbeiträgen belasten“ für die neue Straße vor ihrer Haustür. Die Kosten sollten auf alle umgelegt und jährlich kassiert werden, schlägt Mario Schäfer vor.
„Das ist nichts anderes als eine zweite Grundsteuer“, kritisiert CDU-Fraktionschef Mario Beck. Nicht nur: Laut Landesvorgabe dürften die Straßenbeiträge nicht stadtweit gleich hoch sein. Unterschiedliche Beitragssätze je nach Stadtteil schlägt Schäfer deshalb vor. „Das führt ebenfalls zu Ungerechtigkeiten“, warnt Beck. Grundstücke in Neubaugebieten müssten anders taxiert werden als in alten Ortskernen. Hinzu kommt laut Bürgermeister Rahn ein riesiger Bürokratieaufwand für die Ersteinstufung aller 12 000 Grundstücke in der Stadt sowie die jährlichen Abrechnungen: „Das kostet hunderttausende Euro“, was höhere Einnahmen auffresse.
Auch Kai-Uwe Engel (SPD) wendet sich gegen das „bürokratische Monster“. Die SPD fordert aber, dass die Klage die Stadt nichts kosten dürfe: Den Prozess solle der Städtetag als Musterklage führen. Eine Vorgabe, auf die sich CDU, FW und FDP gern einlassen: „Ein Lob für die SPD, dass sie mitzieht“, sagt Mario Beck. An den Landrat appelliert er, einige Monate zu warten, bis klar sei, dass die Stadt auch 2015 im Plus wirtschafte. Für dieses Jahr rechnet Guido Rahn bereits ein Plus „von 50 000 bis 100 000 Euro“. Den Haushalt auszugleichen sei „Ergebnis harter Arbeit“. Daran hätten die Bürger mit ihren Zahlungen mitgeholfen, erinnert Beck. (den)